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Жизнь взаймы. Уровень 4 / Der Himmel kennt keine Günstlinge
Жизнь взаймы. Уровень 4 / Der Himmel kennt keine Günstlinge
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Жизнь взаймы. Уровень 4 / Der Himmel kennt keine Günstlinge

Er ging die Serpentinen hinunter, bis er einen Schlitten fand.

»Fahren Sie bitte zum Sanatorium Bella Vista zurück – zum Hintereingang.«

Lillian Dunkerque wartete bereits. Sie hatte einen dünnen, schwarzen Pelz aus Breitschwanz um sich gezogen. Clerfayt hätte sich nicht gewundert, wenn sie in einem Abendkleid ohne Mantel gekommen wäre.

»Es hat alles geklappt«, flüsterte sie. »Ich habe Josefs Schlüssel. Er bekommt eine Flasche Kirsch dafür.«

Clerfayt half ihr in den Schlitten. »Wo ist Ihr Wagen?« fragte sie.

»Er wird gewaschen.«

»Haben Sie den Wagen heute abend Hollmanns wegen nicht heraufgebracht? Damit er ihn nicht sieht. Um ihn zu schonen.«

Es stimmte. »Nein«, erwiderte er.

Er holte ein Päckchen Zigaretten heraus. »Geben Sie mir auch eine«, sagte Lillian.

»Dürfen Sie rauchen?«

»Natürlich«, erwiderte sie so, daß er sofort spürte, es sei nicht wahr.

»Ich habe nur Gauloises. Schwarzen, schweren Tabak der Fremdenlegion.«

»Ich kenne sie. Wir haben sie während der Okkupation geraucht.«

»In Paris?«

»In einem Keller in Paris.«

Er gab ihr Feuer. »Woher sind Sie heute gekommen?« fragte sie. »Aus Monte Carlo?«

»Nein, aus Vienne.«

»Vienne? In Österreich?«

»Vienne bei Lyon. Sie kennen es sicher nicht. Es ist ein kleines Städtchen.«

»Sind Sie über Paris gekommen?«

»Das wäre ein zu großer Umweg gewesen. Paris liegt viel weiter im Norden.«

»Wie sind Sie gefahren?«

Clerfayt wunderte sich, warum sie das so genau wissen wollte. »Über Belfort und Basel. Ich hatte noch etwas in Basel zu tun.«

Lillian schwieg eine Weile. »Wie war es?« fragte sie dann.

»Was? Die Fahrt? Langweilig.«

Er begriff plötzlich, warum sie ihn so eingehend gefragt hatte. Für die Kranken hier oben waren die Berge Mauern, die ihre Freiheit beschränkten. Sie gaben ihnen den leichten Atem und die Hoffnung; aber sie konnten sie nicht verlassen. Ihre Welt war auf dieses Hochtal beschränkt, und deshalb war jede Nachricht von unten eine Nachricht aus dem verlorenen Paradies.

»Wie lange sind Sie schon hier?« fragte er.

»Vier Jahre.«

Der Schlitten hielt an der Einfahrt zur Hauptstraße. Eine Gruppe Touristen in Skianzügen zog lärmend an ihm vorbei. »Die Leute da zahlen eine Menge Geld, um hier heraufzukommen – und wir würden alles geben, um wieder hinunterzukommen – ist das nicht zum Totlachen?« »Nein«, erwiderte Clerfayt ruhig.

Der Schlitten zog wieder an. »Geben Sie mir noch eine Zigarette«, sagte Lillian.

Clerfayt hielt ihr das Paket hin. »Sie verstehen das alles sicher nicht«, murmelte sie. »Daß man sich hier wie in einem Gefangenenlager fühlen kann. Nicht wie in einem Gefängnis; da weiß man wenigstens, wann man herauskommt. Wie in einem Lager, wo es kein Urteil gibt.«

»Ich verstehe es«, sagte Clerfayt. »Ich war selbst in einem.«

»Sie? In einem Sanatorium?«

»In einem Gefangenenlager. Im Kriege. Aber bei uns war es gerade umgekehrt. Wir waren im flachen Moor eingesperrt, und die Schweizer Berge waren für uns der Traum der Freiheit. Wir konnten sie vom Lager aus sehen. Einer von uns, der aus dieser Gegend hier kam, machte uns fast verrückt mit seinen Erzählungen. Hätte man uns damals die Entlassung angeboten, wenn wir uns dafür verpflichtet hätten, einige Jahre in diesen Bergen zu leben, ich glaube, viele hätten das angenommen. Auch zum Totlachen, wie?«

»Nein. Hätten Sie es auch angenommen?«

»Ich hatte einen Plan zu fliehen.«

»Wer hätte den nicht? Sind Sie geflohen?«

»Ja.«

Lillian beugte sich vor. »Sind Sie entkommen? Oder wieder gefangen worden?«

»Entkommen. Ich wäre sonst nicht hier. Es gab nichts dazwischen.« »Und der andere Mann?« fragte sie nach einer Weile.

»Der, der immer von den Bergen hier erzählte?«

»Er starb an Typhus im Lager. Eine Woche bevor es befreit wurde.«

Der Schlitten hielt vor dem Hotel. Clerfayt sah, daß Lillian keine Überschuhe trug. Er hob sie heraus, trug sie über den Schnee und setzte sie vor dem Eingang nieder. »Ein Paar Seidenschuhe gerettet«, sagte er.

»Wollen Sie wirklich in die Bar?«

»Ja. Ich brauche etwas zu trinken.«

In der Bar stampften Skiläufer in schweren Schuhen auf der Tanzfläche herum. Der Kellner schob einen Tisch in einer Ecke zurecht. »Wodka?« fragte er Clerfayt.

»Nein. Etwas Heißes. Glühwein oder Grog.« Clerfayt sah Lillian an.

»Was von beiden?«

»Wodka. Haben Sie den nicht vorher auch getrunken?«

»Ja. Aber vor dem Essen.«