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Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке

Tagsüber trieb ich mich umher. Ich wußte nicht recht, was ich machen sollte, und hielt es nirgendwo lange aus. Am späten Nachmittag ging ich in unsere Werkstatt. Köster war da. Er arbeitete an dem Cadillac. Wir hatten ihn vor einiger Zeit für einen Spottpreis alt gekauft. Jetzt war er von uns gründlich überholt worden, und Köster gab ihm gerade den letzten Schliff. Es war eine Spekulation. Wir hofften, gut damit zu verdienen. Ich zweifelte, ob es ein Geschäft sein würde. Bei den schlechten Zeiten wollten alle Leute kleine Wagen kaufen, aber nicht so einen Omnibus. »Wir bleiben darauf sitzen, Otto«, sagte ich.

Doch Köster war zuversichtlich. »Auf mittleren Wagen bleibt man sitzen, Robby«, erklärte er. »Billige werden gekauft und ganz teure auch. Es gibt immer noch Leute, die Geld haben. Oder so aussehen wollen.«

»Wo ist Gottfried?« fragte ich.

»In irgendeiner politischen Versammlung…«

»Verrückt! Was will er denn da?«

Köster lachte. »Das weiß er selbst nicht. Wahrscheinlich sitzt ihm das Frühjahr in den Knochen. Da muß er ja immer irgend etwas Neues haben.«

»Kann sein«, sagte ich. »Komm, ich helf’ dir etwas.«

Wir murksten herum, bis es dunkel wurde. »Schluß jetzt«, sagte Köster. Wir wuschen uns. »Weißt du, was ich hier habe?« fragte er und klopfte auf seine Brieftasche.

»Na?«

»Karten zum Boxen heute abend. Zwei. Du gehst doch mit, was?« Ich zögerte. Er sah mich erstaunt an. »Stilling boxt«, sagte er, »gegen Walker. Wird ein guter Kampf.«

»Nimm Gottfried mit«, schlug ich vor und fand mich lächerlich, daß ich nicht mitging. Aber ich hatte keine rechte Lust, ich wußte nicht warum.

»Hast du was vor?« fragte er.

»Nein.«

Er sah mich an.

»Ich gehe mal nach Hause«, sagte ich. »Briefe schreiben und so was. Muß auch mal sein…«

»Bist du krank?« fragte er besorgt.

»Ach wo, keine Spur. Habe vielleicht auch den Frühling etwas in den Knochen.«

»Na schön. Wie du willst.«

Ich schlenderte nach Hause. Aber als ich in meinem Zimmer saß, wußte ich auch nicht, was ich anfangen sollte. Unschlüssig wanderte ich umher. Ich verstand jetzt nicht mehr, weshalb ich eigentlich hierher gewollt hatte. Schließlich ging ich über den Korridor, um Georgie zu besuchen. Dabei stieß ich auf Frau Zalewski. »Nanu«, sagte sie verblüfft, »Sie hier?«

»Wäre schwer abzustreiten«, erwiderte ich etwas gereizt.

Sie wiegte den Kopf mit den grauen Locken. »Nicht unterwegs? Zeichen und Wunder.«

Ich hielt mich nicht lange bei Georgie auf. Nach einer Viertelstunde ging ich zurück. Ich überlegte, ob ich etwas trinken wollte. Aber ich wollte nicht. Ich setzte mich ans Fenster und schaute auf die Straße. Die Dämmerung wehte mit Fledermausflügeln über den Friedhof. Der Himmel hinter dem Gewerkschaftshause war grün wie ein unreifer Apfel. Draußen brannten schon die Laternen; aber es war noch nicht dunkel genug – sie sahen aus, als frören sie. Ich kramte unter meinen Büchern nach dem Zettel mit der Telefonnummer. Schließlich – anrufen konnte ich ja mal. Hatte es doch sogar halb und halb versprochen. Wahrscheinlich war das Mädchen auch gar nicht zu Hause.

Ich ging zum Vorplatz, wo das Telefon stand, hob den Hörer ab und sagte die Nummer. Während ich auf Antwort wartete, fühlte ich, wie eine weiche Welle, eine leichte Erwartung aus der schwarzen Muschel sich hob. Das Mädchen war da. Als ihre dunkle, etwas rauhe Stimme geisterhaft plötzlich in Frau Zalewskis Vorzimmer zwischen Wildschweinsköpfen, Fettgeruch und Küchengeklirr sprach, leise und etwas langsam, als dächte sie vor jedem Worte nach, verschwand auf einmal meine Unzufriedenheit. Ich hängte wieder an, nachdem ich, anstatt mich nur zu erkundigen, eine Verabredung für übermorgen abgemacht hatte. Plötzlich erschien mir alles nicht mehr so stumpf. Verrückt, dachte ich und schüttelte den Kopf. Dann hob ich noch einmal den Hörer auf und rief Köster an. »Hast du die Karten noch Otto?«

»Ja.«

»Gut. Ich gehe doch mit zum Boxen.«

Nachher wanderten wir noch eine Zeitlang durch die nächtliche Stadt. Die Straßen waren hell und leer. Die Firmenschilder leuchteten. In den Schaufenstern brannte zwecklos das Licht. In einem standen nackte Wachspuppen mit gemalten Köpfen. Sie sahen gespenstisch und pervers aus. Daneben glitzerte Schmuck. Dann kam ein Warenhaus, weiß bestrahlt wie eine Kathedrale. Die Fenster schäumten über von bunter, glänzender Seide. Vor einem Kino hockten blasse, verhungerte Gestalten. Neben ihnen glänzte die Auslage eines Lebensmittelgeschäftes. Zu zinnernen Türmen standen da die Konserven geschichtet, in Watte gebettet lagen mürbe Kalvilläpfel, eine Schnur fetter Gänse baumelte wie Wäsche auf einer Leine, braune runde Brote lagen zwischen harten Dauerwürsten, angeschnitten, zartgelb und rosig schimmerte das Bukett der Lachsschinken und Leberpasteten.

Wir setzten uns auf eine Bank in der Nähe der Anlagen. Es war kühl. Der Mond stand wie eine Bogenlampe über den Häusern. Es war schon weit nach Mitternacht. In der Nähe hatten Arbeiter auf dem Fahrdamm ein Zelt aufgerichtet. Sie arbeiteten an den Straßenbahnschienen. Die Gebläse zischten, und Ströme von Funken sprühten über die ernsthaft gebeugten, dunklen Gestalten. Neben ihnen qualmten Kessel mit Teerasphalt wie Gulaschkanonen.

Wir hingen unseren Gedanken nach.

»Komisch, so ein Sonntag, Otto, was?«

Köster nickte.

»Man ist eigentlich ganz froh, wenn er ‘rum ist.«

Köster zuckte die Achseln. »Vielleicht ist man den Trott so gewohnt, daß einen das bißchen Freiheit schon stört.«

Ich schlug meinen Kragen hoch. »Spricht eigentlich etwas gegen unser Leben, Otto?«

Er sah mich an und lächelte. »Hat schon ganz was anderes dagegen gesprochen, Robby.«

»Stimmt«, gab ich zu. »Immerhin…«

Das scharfe Licht der Preßluftbohrer spritzte grün über den Asphalt.

Das von innen erleuchtete Zelt der Arbeiter sah wie eine warme kleine Heimat aus.

»Glaubst du, daß der Cadillac Dienstag schon fertig ist?« fragte ich.

»Vielleicht«, sagte Köster. »Warum?«

»Ach, nur so —«

Wir standen auf und gingen nach Hause. »Bin ein bißchen verdreht heute, Otto«, sagte ich.

»Ist jeder mal. Schlaf gut, Robby.«

»Du auch, Otto.«

In meinem Zimmer saß ich noch eine Weile auf. Die Bude gefiel mir auf einmal gar nicht mehr. Der Kronleuchter war scheußlich, das Licht viel zu grell, die Sessel waren verschlissen, das Linoleum trostlos nüchtern, der Waschtisch, das Bett mit dem Gemälde von der Schlacht bei Waterloo darüber – kann man eigentlich keinen anständigen Menschen ‘reinführen, dachte ich. Eine Frau schon gar nicht. Höchstens eine Hure aus dem International.

III

Am Dienstag vormittag saßen wir vor unserer Werkstatt im Hof und frühstückten, Der Cadillac war fertig. Lenz hielt ein Blatt Papier in der Hand und schaute uns triumphierend an. Er war unser Reklamechef und hatte Köster und mir gerade ein Inserat vorgelesen, das er für den Verkauf des Wagens verfaßt hatte. Es begann mit den Worten: »Urlaub an südlichen Gestaden im Luxusgefährt« und war ein Mittelding zwischen einem Gedicht und einer Hymne.

Köster und ich schwiegen eine Weile. Wir mußten uns von dieser Sturzflut an blumiger Phantasie erst erholen. Lenz hielt uns für überwältigt. »Das Ding hat Poesie und Schmiß, was?« fragte er stolz. »Im Zeitalter der Sachlichkeit muß man romantisch sein, das ist der Trick. Gegensätze ziehen an.«

»Nicht, wenn es sich um Geld handelt«, erwiderte ich.

»Automobile kauft man nicht, um Geld anzulegen, Knabe«, erklärte Gottfried abweisend. »Man kauft sie, um Geld auszugeben; und da beginnt bereits die Romantik, wenigstens für den Geschäftsmann. Für die meisten Leute hört sie sogar damit auf. Was meinst du, Otto?«

»Weißt du…«, begann Köster vorsichtig.