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Die Unerwünschten
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Die Unerwünschten


Als alle bequem auf dem großen Tisch im Garten saßen und Wan Erfrischungen mit frischem Obst und kaltem Wasser serviert hatte, übernahm Da den Vorsitz der Familienversammlung.

„Wie ich vorher schon sagte habe ich noch nie einen so extremen Fall wie diesen hier erlebt, aber scheinbar haben meine Erfahrung und die Geisterführer dafür gesorgt, die richtige Lösung zu verschreiben.

Wir haben aber bis jetzt nur benutzt, was man ein ‚Mittel für Notfälle‘ nennen könnte. Sehen wir der Sache ins Auge: Wir haben Heng Blut von Tieren gegeben, die nicht dasselbe wie wir Menschen essen, also werden ihm immer noch bestimmte lebenswichtige Zutaten fehlen.

Was wir wirklich tun müssen ist, für eine regelmäßige und dauerhafte Versorgung mit Blut von Tieren zu sorgen, die das fressen, was auch wir Menschen essen. Je ähnlicher umso besser für Heng.

Nun wissen wir alle, dass nicht jeder genau das isst, was der Körper täglich braucht. Wir können daher annehmen, dass Heng das auch nicht nötig hat. Wenn wir ihm aber nur Hühnerblut geben, dann wird ihm eine Menge fehlen und nur der Teil von ihm, der sozusagen ‚huhnähnlich‘ ist, wird gedeihen und überleben.

Dasselbe gilt, wenn er nur Ziegenblut trinkt, weil Gras für Menschen auf Dauer gesehen nicht ausreicht.“

„Also, was bedeutet das, Tante Da?“, fragte Den. „Dass wir Affenblut für ihn beschaffen müssen?“

„Nun ja, das geht in die Richtung von dem, was ich sagen will, richtig, Den, aber Affen fressen auch nicht genau dasselbe wie wir, nicht wahr?“

Sie ließ die Bedeutung des Gesagten ins Bewusstsein dringen. Din verstand als erste.

„Tante, meinst du damit, dass Papa eine regelmäßige Zufuhr von Menschenblut braucht?“

„Ja, Din, das wäre die einfachste Lösung und auf lange Sicht gesehen vielleicht die einzige. Wenn ihr keine regelmäßige Versorgung mit Menschenblut sichern könnt, müsst ihr ihm große Mengen Blut von vielen verschiedenen Tierarten geben, um die menschliche Ernährung zu ersetzen. Schweine fressen zum Beispiel sehr viele Dinge, die wir auch essen, aber sie fressen nicht viel Obst und kein Schweinefleisch.

Ich nehme an, ihr könntet nur für Heng eine paar ‚Spender-Schweine‘ halten und ihnen besonderes Futter geben, um das richtige Blut zu bekommen und es dann mit dem Blut anderer Tiere ergänzen, aber das wäre eben wieder sehr aufwändig. Ihr könntet eine Mischung aus Hühner-, Ziegen-, Schweine-, Hunde- und Katzenblut herstellen und im Kühlschrank aufbewahren, aber soweit ich weiß, hat das noch nie jemand gemacht … Das Ergebnis wäre bestenfalls unvorhersehbar.

Die Lösung liegt wirklich auf der Hand und heißt menschliches Blut. Wir haben die Proben eures Vaters vor mindestens sieben Stunden getestet und es ist ganz offensichtlich: Euer Vater hat kein Blut! Gar keines! Nicht mal einen Tropfen! Ich zeige es euch.“

Da griff in ihre Umhängetasche und nahm das in ein Bananenblatt gewickelte Moos heraus. „Das ist die Urinprobe eures Vaters. Seht her.“ Sie zündete es an. „Die Flamme zischt ein bisschen wegen der Feuchtigkeit, aber schaut mal, die Flammen sind farblos, das heißt, da sind weder Vitamine noch Salz, also nichts in seinem Blut. Er hat nur Wasser in seinen Venen, auch wenn es noch etwas rötlich ist.

Wir können ihm etwas später noch Blut absaugen und es kontrollieren, wenn ihr wollt. Wenn er richtiges Blut hätte, dann wäre das Moos jetzt ausgetrocknet und würde aussehen, als wäre es verbrannt.

Dasselbe ist mit dem Stein passiert, schaut her! Heng hat hier draufgespuckt, aber man sieht keinen Salzring, nichts, das heißt: einfach wieder nur Wasser. Euer Vater hat kein Blut in sich. Keinen Tropfen.“

„Ist das schlecht, Tante Schamanin?“, fragte Den.

„Schlecht? Ob das schlecht ist? Junge, ein Mensch kann ohne Blut nicht überleben! Ich habe dich sehr gerne, Den, aber manchmal kannst du wirklich extrem dumm sein! Nichts als Sex im Kopf, denke ich mal, so wie alle Jungs in deinem Alter! Und außerhalb des Kultraums bin ich für euch einfach ‚Tante‘. Euer Vater hat sich in einen Vampir verwandelt … hat er in letzter Zeit jemanden in der Familie gebissen?“

„Nein, Tante, aber vielleicht beißt er die Ziegen, das können wir nicht wissen“, erwiderte Den.

„Oh, das ist Ernst, wirklich äußerst Ernst. Ich habe von solchen Fällen gehört, aber noch nie einen gesehen mit meiner … meiner … äh, großen Erfahrung.“

„Irre”, sagte Den, „Papa hat sich in Pee Pob, einen Vampir, verwandelt? Wartet, bis ich das meinen Freunden erzähle! Heng – Pee Pob! Das ist der Wahnsinn!“

„Wird er bald sterben?“, fragte Din.

„Wir versuchen, ihn zu retten, Din, wir tun alles, was wir können, aber das heißt, dass ihr es niemandem erzählen dürft. Den! Hast du mich verstanden? Niemandem, absolut niemandem. Du dummer Junge! Bist du sicher, dass der Bub ein Lee ist, Wan?“ Sie warf Wan einen anklagenden Blick zu, die finster und mit so viel Verachtung zurückstarrte, wie sie einer alten Frau gegenüber aufbringen konnte, die gerade das Leben ihres sterbenden Mannes gerettet hatte.

„Also, so sieht es aus. Das sind eure Möglichkeiten. Am Ende ist es eure Entscheidung – die von allen vier – weil ja ihr es seid, die die ‚Medizin‘ beschaffen müsst, die Heng für den Rest seines Lebens braucht, denn diese Krankheit kann man nicht heilen.“

Da ließ sich schwer gegen eine der Dachstützen sinken und schloss die Augen, als ob sie ein Buch schließen und damit die Sitzung beenden würde. Die Familienmitglieder sahen zuerst sie und dann sich gegenseitig an, sie grübelten, wie man das Problem lösen könnte.

Während Tante Da scheinbar in Trance verfiel oder vielleicht sogar eingeschlafen war, debattierten die Drei, was als Nächstes zu tun wäre.

„Also”, sagte Wan, „von den hiesigen Bewohnern bekommen wir wohl nicht viel Blut. Die meisten würden einem ja nicht mal die Haut auf einem kalten Reispudding geben, geschweige denn einen halben Liter Blut und kaufen können wir es auch nicht von ihnen, das können wir uns nicht leisten.“

„Wir könnten Touristen einfangen, das Blut von denen in Flaschen absaugen und es im Kühlschrank aufbewahren …“, sagte Den.

„Hier oben gibt es eigentlich nicht viele Touristen, oder, Den?“, meinte seine Mutter und schnalzte missbilligend mit der Zunge.

„Wir könnten eine Mischung aus dem Blut verschiedener Tiere machen und jeder von uns spendet pro Monat einen halben Liter Blut“, steuerte Din bei.

„Also, ich weiß ja nicht, wie viel Blut eine Person im Jahr spenden kann, aber zwölf Mal ein halber Liter klingt schon nach einer Menge Blut – aber eine nette Idee, Liebes. Vielleicht wären ein paar Mitglieder unserer gesamten Sippe bereit, ab und zu Blut zu spenden, euer Vater ist in der Gegend ja recht beliebt …“

„Wir könnten anbieten, all das Blut von Leuten zu kaufen, die sterben“, schlug Den vor.

„Ich glaube, mein Lieber, du musst das Blut aus dem Körper herausbekommen, bevor derjenige stirbt, ansonsten schlägt ja das Herz nicht mehr und kann es auch nicht mehr herauspumpen.“

„Könnten wir sie nicht an den Füßen aufhängen und ihnen einen Zapfhahn in den Hals stecken … oder in ihr Herz … oder beides?“

„Aber sicher, wenn also die alte Mama von jemandem im Sterben liegt und alle deswegen weinen, ist dein Vorschlag, dass wir dorthin rennen, noch bevor sie kalt ist und fragen, ob wir sie an den Füßen aufhängen und ihr Blut in einen Eimer fließen lassen dürfen, damit dein Vater es später trinken kann, richtig? Das kommt bestimmt sehr gut an, ja.“

„Wir könnten anbieten, schon vorher etwas abzusaugen …“

„Denk nicht mal an so etwas Widerliches und Dummes!“

„Was ist mit Babys … naja, eher nicht, oder?“, meinte Den und verfiel in Schweigen, da man bisher all seine Vorschläge abgewiesen hatte.

„Also, fassen wir mal zusammen: erstens, Blut von Familienmitgliedern sammeln und zweitens, eine Mischung aus Tierblut fabrizieren, wobei wir von keiner Idee wissen, ob sie funktioniert. Sonst noch was?“

„Wir könnten … nein, eher nicht”, sagte Den.

„Sag schon, spuck’s aus, dumm oder nicht“, sagte seine Mutter. „Wir sind verzweifelt und müssen jede Möglichkeit prüfen.“

„Naja, ich könnte Moslem werden … dann könnte ich vier Frauen nehmen und damit hätten wir vier Blutspender mehr … und wenn von denen, sagen wir mal, jede vier Kinder hat, dann sind das nochmal sechzehn Spender mehr und…“

„Fein, Den. Danke! Jetzt wünsche ich mir, ich hätte nicht gefragt … als nächstes schlägst du vielleicht vor, dass deine Schwester anschaffen geht und einen Liter pro Nummer verlangt!“

Din lief bei dem Gedanken puterrot an und war schockiert, dass ihre Mutter das sogar ausgesprochen hatte, aber Den nickte gedankenverloren, bis Wan ihm einen Tritt versetzte.

„Soweit ich das sehe gibt es noch zwei Probleme, die wir noch gar nicht bedacht haben“, sagte Din. „Tante Da hat gesagt, dass Papa mit unserem Plan einverstanden sein muss, weil er das Zeug trinken soll und außerdem brauchen wir etwas für morgen.“

„Vielleicht können wir morgen den Ziegenblut-Milchshake verwenden, weil dein Papa den scheinbar lieber mag als den mit Hühnergeschmack. Aber ja, du hast recht, wir müssen uns bald etwas Dauerhaftes einfallen lassen. Wir können später Tante fragen. Und was euren Vater angeht: Er wird eben das trinken, was wir ihm geben und dankbar dafür sein müssen, bis er kräftig genug ist, seine eigenen Nahrungsbedürfnisse auf die Reihe zu bekommen. Aber ich bin sicher, er wäre froh, dass ihr euch Gedanken um ihn gemacht habt.“

Während die Drei ein paar Minuten lang ihren eigenen Gedanken nachhingen, ‚erwachte‘ Da.

„Habt ihr es geschafft, neue Ideen zu entwickeln oder sollte ich besser Lösungen sagen?“

„Nein, Tante“, gab Wan zu. „Den hatte ein paar einfallsreiche Vorschläge, aber die waren nicht wirklich umsetzbar. Leider stecken wir immer noch bei denselben Ideen fest, die du vor ein paar Stunden gemacht hast.“

„Ja, ich dachte mir schon, dass du das sagst, aber mal ganz ehrlich, es gibt keine einfache Lösung für das Problem. Bei meinen Meditationen kam auch nichts heraus, aber es ist schon später Nachmittag und ich bin müde. Könnte eines von euch Kindern mich heimbringen und wir überschlafen das Ganze?“