Иоганн Вольфганг фон Гёте
Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie
Johann Wolfgang von Goethe
Faust. Eine Tragödie
* * *© ООО «Издательство АСТ», 2022
Faust
Eine Tragödie
Zueignung
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten?Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttertVom Zauberhauch der euren Zug umwittert.Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,Und manche liebe Schatten steigen auf;Gleich einer alten, halbverklungnen Sage,Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf;Der Schmerz wird neu, es wiederholt die KlageDes Lebens labyrinthisch irren Lauf,Und nennt die Guten, die, um schöne StundenVom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.Sie hören nicht die folgenden Gesänge,Die Seelen, denen ich die ersten sang,Zerstoben ist das freundliche Gedränge,Verklungen ach! der erste Wiederklang.Mein Leid ertönt der unbekannten Menge,Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang,Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.Und mich ergreift ein längst entwöhntes SehnenNach jenem stillen, ernsten Geisterreich,Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen,Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich,Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen,Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich;Was ich besitze seh’ ich wie im weiten,Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten.Vorspiel auf dem Theater
Director, Theaterdichter, Lustige Person.
DirectorIhr beyden die ihr mir so oft,In Noth und Trübsal, beygestanden,Sagt was ihr wohl, in deutschen Landen,Von unsrer Unternehmung hofft?Ich wünschte sehr der Menge zu behagen,Besonders weil sie lebt und leben läßt.Die Pfosten sind, die Breter aufgeschlagen,Und jedermann erwartet sich ein Fest.Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen,Gelassen da und möchten gern erstaunen.Ich weiß wie man den Geist des Volks versöhnt;Doch so verlegen bin ich nie gewesen;Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,Allein sie haben schrecklich viel gelesen.Wie machen wir’s? daß alles frisch und neuUnd mit Bedeutung auch gefällig sey.Denn freylich mag ich gern die Menge sehen,Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt,Und mit gewaltig wiederholten Wehen,Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt;Bey hellem Tage, schon vor Vieren,Mit Stößen sich bis an die Kasse fichtUnd, wie in Hungersnoth um Brot an Beckerthüren,Um ein Billet sich fast die Hälse bricht.Dieß Wunder wirkt auf so verschiedne LeuteDer Dichter nur; mein Freund, o! thu es heute.DichterO sprich mir nicht von jener bunten Menge,Bey deren Anblick uns der Geist entflieht.Verhülle mir das wogende Gedränge,Das wider Willen uns zum Strudel zieht.Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,Wo nur dem Dichter reine Freude blüht;Wo Lieb’ und Freundschaft unsres Herzens SegenMit Götterhand erschaffen und erpflegen.Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen,Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.Oft wenn es erst durch Jahre durchgedrungenErscheint es in vollendeter Gestalt.Was glänzt ist für den Augenblick geboren,Das Aechte bleibt der Nachwelt unverloren.Lustige PersonWenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte.Gesetzt daß ich von Nachwelt reden wollte,Wer machte denn der Mitwelt Spaß?Den will sie doch und soll ihn haben.Die Gegenwart von einem braven KnabenIst, dächt’ ich, immer auch schon was.Wer sich behaglich mitzutheilen weiß,Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;Er wünscht sich einen großen Kreis,Um ihn gewisser zu erschüttern.Drum seyd nur brav und zeigt euch musterhaft,Laßt Phantasie, mit allen ihren Chören,Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.DirectorBesonders aber laßt genug geschehn!Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.Wird vieles vor den Augen abgesponnen,So daß die Menge staunend gaffen kann,Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen,Ihr seyd ein vielgeliebter Mann.Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen,Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!Solch ein Ragout es muß euch glücken;Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht,Das Publikum wird es euch doch zerpflücken.DichterIhr fühlet nicht wie schlecht ein solches Handwerk sey!Wie wenig das den ächten Künstler zieme!Der saubern Herren PfuschereyIst, merk’ ich, schon bey euch Maxime.DirectorEin solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt;Ein Mann, der recht zu wirken denkt,Muß auf das beste Werkzeug halten.Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu spalten,Und seht nur hin für wen ihr schreibt!Wenn diesen Langeweile treibt,Kommt jener satt vom übertischten Mahle,Und, was das allerschlimmste bleibt,Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;Die Damen geben sich und ihren Putz zum bestenUnd spielen ohne Gage mit.Was träumet ihr auf eurer Dichter-Höhe?Was macht ein volles Haus euch froh?Beseht die Gönner in der Nähe!Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.Was plagt ihr armen Thoren viel,Zu solchem Zweck, die holden Musen?Ich sag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr,So könnt ihr euch vom Ziele nie verirren,Sucht nur die Menschen zu verwirren,Sie zu befriedigen ist schwer —Was fällt euch an? Entzückung oder Schmerzen?DichterGeh hin und such dir einen andern Knecht!Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,Um deinetwillen freventlich verscherzen!Wodurch bewegt er alle Herzen?Wodurch besiegt er jedes Element?Ist es der Einklang nicht? der aus dem Busen dringt,Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt.Wenn die Natur des Fadens ew’ge Länge,Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,Wenn aller Wesen unharmon’sche MengeVerdrießlich durch einander klingt;Wer theilt die fließend immer gleiche ReiheBelebend ab, daß sie sich rythmisch regt?Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe?Wo es in herrlichen Accorden schlägt,Wer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüthen?Das Abendroth im ernsten Sinne glühn?Wer schüttet alle schönen FrühlingsblütenAuf der Geliebten Pfade hin?Wer flicht die unbedeutend grünen BlätterZum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?Des Menschen Kraft im Dichter offenbart.Lustige PersonSo braucht sie denn die schönen KräfteUnd treibt die dicht’rischen Geschäfte,Wie man ein Liebesabenteuer treibt.Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibtUnd nach und nach wird man verflochten;Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,Man ist entzückt, nun kommt der Schmerzheran,Und eh man sich’s versieht ist’s eben einRoman.Laßt uns auch so ein Schauspiel geben!Greift nur hinein ins volle Menschenleben!Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt,Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant.In bunten Bildern wenig Klarheit,Viel Irrthum und ein Fünkchen Wahrheit,So wird der beste Trank gebraut,Der alle Welt erquickt und auferbaut.Dann sammelt sich der Jugend schönsteBlüteVor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,Dann sauget jedes zärtliche GemütheAus eurem Werk sich melanchol’scheNahrung;Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt,Ein jeder sieht was er im Herzen trägt.Noch sind sie gleich bereit zu weinen und zu lachen,Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,Ein Werdender wird immer dankbar seyn.DichterSo gieb mir auch die Zeiten wieder,Da ich noch selbst im Werden war,Da sich ein Quell gedrängter LiederUnunterbrochen neu gebar,Da Nebel mir die Welt verhüllten,Die Knospe Wunder noch versprach,Da ich die tausend Blumen brach,Die alle Thäler reichlich füllten.Ich hatte nichts und doch genug,Den Drang nach Wahrheit und dieLust am Trug.Gieb ungebändigt jene Triebe,Das tiefe schmerzenvolle Glück,Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,Gieb meine Jugend mir zurück!Lustige PersonDer Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfallsWenn dich in Schlachten Feinde drängen,Wenn mit Gewalt an deinen HalsSich allerliebste Mädchen hängen,Wenn fern des schnellen Laufes KranzVom schwer erreichten Ziele winket,Wenn nach dem heftgen WirbeltanzDie Nächte schmausend man vertrinket.Doch ins bekannte SaitenspielMit Muth und Anmuth einzugreifen,Nach einem selbgesteckten ZielMit holdem Irren hinzuschweifen,Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,Und wir verehren euch darum nicht minder.Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,Es findet uns nur noch als wahre Kinder.DirectorDer Worte sind genug gewechselt,Laßt mich auch endlich Thaten sehn;Indeß ihr Complimente drechselt,Kann etwas nützliches geschehn.Was hilft es viel von Stimmung reden?Dem Zaudernden erscheint sie nie.Gebt ihr euch einmal für Poeten,So kommandirt die Poesie.Euch ist bekannt was wir bedürfen,Wir wollen stark Getränke schlürfen;Nun braut mir unverzüglich dran!Was heute nicht geschieht, ist Morgen nicht gethan,Und keinen Tag soll man verpassen,Das Mögliche soll der EntschlußBeherzt sogleich beym Schopfe fassen,Er will es dann nicht fahren lassen,Und wirket weiter, weil er muß.Ihr wißt, auf unsern deutschen BühnenProbirt ein jeder was er mag;Drum schonet mir an diesem TagProspecte nicht und nicht Maschinen.Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,Die Sterne dürfet ihr verschwenden;An Wasser, Feuer, Felsenwänden,An Thier und Vögeln fehlt es nicht.So schreitet in dem engen BreterhausDen ganzen Kreis der Schöpfung aus,Und wandelt, mit bedächtger Schnelle,Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle.Prolog im Himmel
Der Herr, die himmlischen Heerscharen, nachher Mephistopheles. Die drey Erzengel treten vor.
RaphaelDie Sonne tönt, nach alter Weise,In Brudersphären Wettgesang,Und ihre vorgeschriebne ReiseVollendet sie mit Donnergang.Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,Wenn keiner sie ergründen mag.Die unbegreiflich hohen WerkeSind herrlich wie am ersten Tag.GabrielUnd schnell und unbegreiflich schnelleDreht sich umher der Erde Pracht;Es wechselt Paradieses-HelleMit tiefer schauervoller Nacht;Es schäumt das Meer in breiten FlüssenAm tiefen Grund der Felsen auf,Und Fels und Meer wird fortgerissenIn ewig schnellem Sphärenlauf.MichaelUnd Stürme brausen um die WetteVom Meer aufs Land vom Land aufs Meer,Und bilden wüthend eine KetteDer tiefsten Wirkung rings umher.Da flammt ein blitzendes VerheerenDem Pfade vor des Donnerschlags.Doch deine Boten, Herr, verehrenDas sanfte Wandeln deines Tags.Zu DreyDer Anblick giebt den Engeln StärkeDa keiner dich ergründen mag,Und alle deine hohen WerkeSind herrlich wie am ersten Tag.MephistophelesDa du, o Herr, dich einmal wieder nahstUnd fragst wie alles sich bey uns befinde,Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;So siehst du mich auch unter dem Gesinde.Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;Mein Pathos brächte dich gewiß zum lachen,Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,Ich sehe nur wie sich die Menschen plagen.Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.Ein wenig besser würd’ er leben,Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;Er nennts Vernunft und braucht’s alleinNur thierischer als jedes Thier zu seyn.Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,Wie eine der langbeinigen Cicaden,Die immer fliegt und fliegend springtUnd gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;Und läg’ er nur noch immer in dem Grase!In jeden Quark begräbt er seine Nase.Der HerrHast du mir weiter nichts zu sagen?Kommst du nur immer anzuklagen?Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?MephistophelesNein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht.Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.Der HerrKennst du den Faust?MephistophelesDen Doctor?Der HerrMeinen Knecht!MephistophelesFürwahr! er dient euch auf besondre Weise.Nicht irdisch ist des Thoren Trank noch Speise.Ihn treibt die Gährung in die Ferne,Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,Und von der Erde jede höchste Lust,Und alle Näh’ und alle FerneBefriedigt nicht die tiefbewegte Brust.Der HerrWenn er mir jetzt auch nur verworren dient;So werd’ ich ihn bald in die Klarheit führen.Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,Daß Blüt’ und Frucht die künft’gen Jahre zieren.MephistophelesWas wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren!Wenn ihr mir die Erlaubniß gebtIhn meine Straße sacht zu führen.Der HerrSo lang’ er auf der Erde lebt,So lange sey dir’s nicht verboten.Es irrt der Mensch so lang er strebt.MephistophelesDa dank’ ich euch; denn mit den TodtenHab’ ich mich niemals gern befangen.An meisten lieb’ ich mir die vollen frischen Wangen.Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;Mir geht es wie der Katze mit der Maus.Der HerrNun gut, es sey dir überlassen!Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen,Auf deinem Wege mit herab,Und steh’ beschämt, wenn du bekennen mußt:Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange,Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.MephistophelesSchon gut! nur dauert es nicht lange.Mir ist für meine Wette gar nicht bange.Wenn ich zu meinem Zweck gelange,Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust.Staub soll er fressen, und mit Lust,Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.Der HerrDu darfst auch da nur frey erscheinen;Ich habe deines gleichen nie gehaßt.Von allen Geistern die verneinenIst mir der Schalk am wenigsten zur Last.Des Menschen Thätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu,Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen.Doch ihr, die ächten Göttersöhne,Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken,Und was in schwankender Erscheinung schwebt,Befestiget mit dauernden Gedanken.Der Himmel schließt, die Erzengel vertheilen sich.
Mephistophelesallein.Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern,Und hüte mich mit ihm zu brechen.Es ist gar hübsch von einem großen HerrnSo menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.Erster Theil
Nacht
In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.
FaustHabe nun, ach! Philosophie,Juristerey und Medicin,Und leider auch Theologie!Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.Da steh’ ich nun, ich armer Thor!Und bin so klug als wie zuvor;Heiße Magister, heiße Doctor gar,Und ziehe schon an die zehen Jahr,Herauf, herab und quer und krumm,Meine Schüler an der Nase herum —Und sehe, daß wir nichts wissen können!Das will mir schier das Herz verbrennen.Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen,Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel —Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,Die Menschen zu bessern und zu bekehren.Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.Es möchte kein Hund so länger leben!Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,Ob mir durch Geistes Kraft und MundNicht manch Geheimniß würde kund;Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;Daß ich erkenne, was die WeltIm Innersten zusammenhält,Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.O sähst du, voller Mondenschein,Zum letztenmal auf meine Pein,Den ich so manche MitternachtAn diesem Pult herangewacht:Dann über Büchern und Papier,Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!Ach! könnt’ ich doch auf Berges-Höh’n,In deinem lieben Lichte gehn,Um Bergeshöle mit Geistern schweben,Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,Von allem Wissensqualm entladen,In deinem Thau gesund mich baden!Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!Wo selbst das liebe HimmelslichtTrüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.Beschränkt mit diesem Bücherhauf,Den Würme nagen, Staub bedeckt,Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,Ein angeraucht Papier umsteckt;Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,Mit Instrumenten vollgepfropft,Urväter Hausrath drein gestopft —Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!Und fragst du noch, warum dein HerzSich bang’ in deinem Busen klemmt?Warum ein unerklärter SchmerzDir alle Lebensregung hemmt?Statt der lebendigen Natur,Da Gott die Menschen schuf hinein,Umgiebt in Rauch und Moder nurDich Thiergeripp’ und Todtenbein.Flieh! auf! hinaus ins weite Land!Und dieß geheimnißvolle Buch,Von Nostradamus eigner Hand,Ist dir es nicht Geleit genug?Erkennest dann der Sterne Lauf,Und wenn Natur dich unterweist,Dann geht die Seelenkraft dir auf,Wie spricht ein Geist zum andern Geist.Umsonst, daß trocknes Sinnen hierDie heil’gen Zeichen dir erklärt,Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,Antwortet mir, wenn ihr mich hört!Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Ha! welche Wonne fließt in diesem BlickAuf einmal mir durch alle meine Sinnen!Ich fühle junges, heil’ges LebensglückNeuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?Die mir das innre Toben stillen,Das arme Herz mit Freude füllen,Und mit geheimnißvollem Trieb,Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!Ich schau’ in diesen reinen ZügenDie wirkende Natur vor meiner Seele liegen.Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:«Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;«Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!«Auf bade, Schüler, unverdrossen,«Die ird’sche Brust im Morgenroth!«Er beschaut das Zeichen.
Wie alles sich zum Ganzen webt,Eins in dem andern wirkt und lebt!Wie Himmelskräfte auf und nieder steigenUnd sich die goldnen Eimer reichen!Mit segenduftenden SchwingenVom Himmel durch die Erde dringen,Harmonisch all’ das All durchklingen!Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,An denen Himmel und Erde hängt,Dahin die welke Brust sich drängt —Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.
Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!Du, Geist der Erde, bist mir näher;Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,Mit Stürmen mich herumzuschlagen,Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,Es wölkt sich über mir —Der Mond verbirgt sein Licht —Die Lampe schwindet!Es dampft! – Es zucken rothe StrahlenMir um das Haupt – Es wehtEin Schauer vom Gewölb’ herabUnd faßt mich an!Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist.Enthülle dich!Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!Zu neuen GefühlenAll’ meine Sinnen sich erwühlen!Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.
GeistWer ruft mir?Faust abgewendetSchreckliches Gesicht!GeistDu hast mich mächtig angezogen,An meiner Sphäre lang’ gesogen,Und nun —FaustWeh! ich ertrag’ dich nicht!GeistDu flehst erathmend mich zu schauen,Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,Da bin ich! – Welch erbärmlich GrauenFaßt Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf,Und trug und hegte; die mit FreudebebenErschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.Wo bist du, Faust? deß Stimme mir erklang,Der sich an mich mit allen Kräften drang?Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert,In allen Lebenstiefen zittert,Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!FaustSoll ich dir, Flammenbildung, weichen?Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen!GeistIn Lebensfluthen, im ThatensturmWall’ ich auf und ab,Webe hin und her!Geburt und Grab,Ein ewiges Meer,Ein wechselnd Weben,Ein glühend Leben,So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.FaustDer du die weite Welt umschweifst,Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!GeistDu gleichst dem Geist, den du begreifst,Nicht mir!Verschwindet.
Faust zusammenstürzendNicht dir!Wem denn?Ich Ebenbild der Gottheit!Und nicht einmal dir!Es klopft.
O Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus —Es wird mein schönstes Glück zu nichte!Daß diese Fülle der GesichteDer trockne Schleicher stören muß!Wagner im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.
ab.
Faust alleinWie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,Der immerfort an schalem Zeuge klebt,Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!Darf eine solche Menschenstimme hier,Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.Du rissest mich von der Verzweiflung los,Die mir die Sinne schon zerstören wollte.Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schonGanz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,Und abgestreift den Erdensohn;Ich, mehr als Cherub, dessen freye KraftSchon durch die Adern der Natur zu fließenUnd, schaffend, Götterleben zu genießenSich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.In jenem sel’gen AugenblickeIch fühlte mich so klein, so groß,Du stießest grausam mich zurücke,Ins ungewisse Menschenloos.Wer lehret mich? was soll ich meiden?Soll ich gehorchen jenem Drang?Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,Sie hemmen unsres Lebens Gang.Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.Die uns das Leben gaben, herrliche GefühleErstarren in dem irdischen Gewühle.Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug,Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,Dort wirket sie geheime Schmerzen,Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;Du bebst vor allem was nicht trifft,Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;Den, wie er sich im Staube nährend lebt,Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,Aus hundert Fächern, mir verenget;Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,In dieser Mottenwelt mich dränget?Hier soll ich finden was mir fehlt?Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,Daß überall die Menschen sich gequält,Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? —Was grinsest du mir hohler Schädel her?Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.Ihr Instrumente freylich, spottet mein,Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.Geheimnißvoll am lichten TagLäßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.Du alte Rolle, du wirst angeraucht,So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!Was du ererbt von deinen Vätern hastErwirb es, um es zu besitzen.Was man nicht nützt ist eine schwere Last,Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?Warum wird mir auf einmal lieblich helle?Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.Ich grüße dich, du einzige Phiole!Die ich mit Andacht nun herunterhole,In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,Erweise deinem Meister deine Gunst!Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,An mich heran! Ich fühle mich bereitAuf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?Ja, kehre nur der holden ErdensonneEntschlossen deinen Rücken zu!Vermesse dich die Pforten aufzureißen,Vor denen jeder gern vorüber schleicht.Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen,Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,Nach jenem Durchgang hinzustreben,Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließenUnd, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.Nun komm herab, krystallne reine Schaale!Hervor aus deinem alten Futterale,An die ich viele Jahre nicht gedacht.Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,Erheitertest die ernsten Gäste,Wenn einer dich dem andern zugebracht.Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.Den ich bereitet, den ich wähle,Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!Er setzt die Schaale an den Mund.