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Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке

»Unsinn«, meinte Gottfried, »laß uns jetzt lieber zu ernster Mannesarbeit übergehen.«

Wir gingen zu einer Bude, wo man Hartgummiringe auf Haken werfen mußte und alles mögliche gewinnen konnte. »So«, sagte Lenz zu Patrice Hollmann und schob seinen Hut in den Nacken, »jetzt werden wir Ihnen eine Aussteuer zusammenholen.«

Er warf als erster und gewann eine Weckuhr. Ich folgte und schnappte einen Teddybären. Der Budenbesitzer übergab uns beides und machte viel Hallo davon, um weitere Kunden anzulocken. »Dir wird das Hallo schon vergehen«, schmunzelte Gottfried und eroberte eine Bratpfanne. Ich einen zweiten Teddybären. »Nanu, so was von Schwein«, sagte der Budenbesitzer nur und reichte uns die Sachen.

Der Mann wußte nicht, was ihm bevorstand. Lenz war der beste Handgranatenwerfer der Kompanie gewesen, und im Winter, wenn wenig zu tun war, hatten wir monatelang geübt, unsere Hüte auf alle möglichen Haken zu werfen. Dagegen waren die Ringe hier ein Kinderspiel. Gottfried holte sich mühelos als nächstes eine kristallene Blumenvase. Ich ein halbes Dutzend Grammophonplatten. Der Budenbesitzer schob sie uns schweigend zu und prüfte dann seine Haken. Lenz zielte, warf und gewann ein Kaffeegeschirr, den zweiten Preis. Wir halten jetzt schon einen Haufen Zuschauer. Ich warf drei Ringe ganz rasch auf denselben Haken. Ergebnis: die büßende heilige Magdalena im Goldrahmen.

Der Budenbesitzer zog ein Gesicht, als ob er beim Zahnarzt wäre, und weigerte sich, uns weiter werfen zu lassen. Wir wollten aufhören, aber die Zuschauer machten Krach. Sie verlangten von dem Mann, daß er uns weitertrudeln ließ. Sie wollten sehen, wie er ausgeplündert wurde. Am meisten Krach machte Lina, die plötzlich mit ihrem Schmied wieder da war. »Vorbeiwerfen dürfen die Leute, was?« krähte sie, »aber treffen nicht, wie?« Der Schmied brummte beifällig.

»Schön«, meinte Lenz, »jeder noch einen Wurf.«

Ich warf als erster. Eine Waschschüssel mit Krug und Seifenschale. Dann kam Lenz. Er nahm fünf Ringe. Vier warf er rasch auf denselben Haken. Vor dem fünften machte er eine Kunstpause und zog eine Zigarette hervor. Drei Mann reichten ihm Feuer. Der Schmied klopfte ihm auf die Schulter. Lina fraß vor Aufregung ihr Taschentuch. Dann visierte Gottfried und warf ganz leicht, damit er nicht abprallte, den letzten Ring über die vier andern. Er blieb hängen. Donnerndes Gebrüll. Er hatte den Hauptgewinn gekapert – einen Kinderwagen mit rosa Decke und Spitzenkissen.

Der Budenbesitzer schob ihn fluchend heraus. Wir packten alles hinein und zogen zur nächsten Bude. Lina schob den Wagen. Der Schmied machte darüber solche Witze, daß ich vorzog, mit Patrice Hollmann ein Stück zurückzubleiben. Bei der nächsten Bude mußte man Ringe über Weinflaschen werfen. Wenn der Ring richtig fiel, hatte man die Flasche gewonnen. Wir holten sechs Flaschen heraus, Lenz besah die Etiketten und schenkte sie dem Schmied.

Es gab noch eine Bude ähnlicher Art. Aber der Besitzer hatte Lunte gerochen und erklärte sie, als wir ankamen, für geschlossen. Der Schmied wollte Radau machen; er hatte gesehen, daß hier Bierflaschen erstritten werden konnten. Aber wir wehrten ab. Der Mann, der diese Bude besaß, hatte nur einen Arm.

In großer Begleitung erschienen wir beim Cadillac. »Was nun?« fragte Lenz und kratzte sich den Schädel. »Am besten binden wir den Kinderwagen hinten an.«

»Natürlich«, sagte ich. »Aber du mußt ‘rein und ihn steuern, damit er nicht kippt.«

Patrice Hollmann protestierte. Sie hatte Sorge, Lenz würde es tatsächlich machen. »Schön«, meinte Gottfried, »dann wollen wir mal sortieren. Die beiden Teddys behalten Sie unbedingt. Die Grammophonplatten auch. Die Bratpfanne?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Geht dann in den Besitz der Werkstatt über«, erklärte Gottfried. »Nimm sie an dich, Robby, alter Meister des Spiegeleierbratens. Das Kaffeegeschirr?«

Das Mädchen nickte zu Lina hinüber. Die Köchin errötete. Gottfried überreichte ihr die Stücke wie bei einer Preisverteilung. Dann griff er die Steingutschale heraus. »Das Waschgeschirr hier? An den Herrn Nachbarn, nicht wahr? Kann’s gut gebrauchen im Beruf. Die Weckuhr ebenfalls. Schmiede haben einen schweren Schlaf.«

Ich übergab Gottfried die Blumenvase. Er reichte sie Lina. Die wollte stotternd ablehnen. Ihre Augen klebten an der büßenden Magdalena. Sie glaubte, wenn sie die Vase nähme, bekäme der Schmied das Bild. »Ick schwärme for Kunst«, brachte sie heraus. Rührend gierig stand sie da und kaute vor Aufregung an ihren roten Fingern.

»Gnädiges Fräulein«, fragte Lenz mit großer Geste und drehte sich um, »was meinen Sie dazu?«

Patrice Hollmann nahm das Bild und gab es der Köchin. »Es ist ein sehr schönes Bild, Lina«, sagte sie.

»Häng’s über dein Bett und nimm’s dir zu Herzen«, ergänzte Lenz.

Lina griff zu. Das Wasser stand ihr in den Augen. Sie bekam einen mächtigen Schluckauf vor Dankbarkeit.

»Und nun du«, sagte Lenz nachdenklich zu dem Kinderwagen. Linas Augen wurden trotz allen Magdalenenglückes schon wieder gierig. Der Schmied meinte, man könne nie wissen, wann man so was nötig hätte, und lachte darüber derartig, daß er eine Weinflasche fallen ließ. Aber Lenz wollte nicht. »Augenblick, hab’ da vorhin was gesehen«, sagte er und verschwand. Ein paar Minuten später holte er den Wagen und schob ihn davon. »Erledigt«, meinte er, als er allein wiederkam. Wir stiegen in den Cadillac. »Wie Weihnachten!« sagte Lina glücklich in all ihrem Kram und gab uns die rote Pratze zum Abschied.

Der Schmied nahm uns noch eine Sekunde beiseite. »Hört mal zu«, sagte er, »wenn ihr mal jemand zu verhauen habt – ich wohne Leibnizstraße sechzehn, Hinterhof, zwei Treppen links. Eventuell, wenn’s mehrere sind, komme ich auch mit meinem Verein.«

»Gemacht«, erwiderten wir und fuhren los. Als wir um die Ecke des Rummelplatzes bogen, zeigte Gottfried aus dem Fenster. Da stand unser Kinderwagen, ein richtiges Kind drin und eine blasse, immer noch verstörte Frau daneben, die ihn untersuchte.

»Gut, was?« meinte Gottfried.

»Bringen Sie ihr noch die Teddybären!« rief Patrice Hollmann. »Die gehören dazu.«

»Einen vielleicht«, sagte Lenz, »einen müssen Sie behalten.«

»Nein, beide.«

»Gut.« Lenz sprang aus dem Wagen, warf die Plüschdinger der Frau in die Arme und raste, ehe sie etwas sagen konnte, davon, als würde er verfolgt. »So«, sagte er aufatmend, »jetzt ist mir vor meinem eigenen Edelmut ganz schlecht geworden. Setzt mich am International ab. Ich muß unbedingt einen Kognak haben.«

Er stieg aus, und ich brachte das Mädchen nach Hause. Es war anders als das letztemal. Sie stand in der Tür, und das Licht der Laterne überflackerte ihr Gesicht. Sie sah herrlich aus. Ich wäre gern mit ihr gegangen. »Gute Nacht«, sagte ich, »schlafen Sie gut.«

»Gute Nacht.«

Ich sah ihr nach, bis die Beleuchtung erlosch. Dann fuhr ich mit dem Cadillac los. Ich fühlte mich merkwürdig. Es war nicht wie sonst, wenn man mal abends auf ein Mädchen verrückt war. Es war viel mehr Zärtlichkeit dabei. Zärtlichkeit und der Wunsch, sich einmal ganz loslassen zu können. Fallen zu lassen, irgendwohin…

Ich fuhr zu Lenz ins International. Es war fast leer. In einer Ecke saß Fritzi mit ihrem Freund, dem Kellner Alois. Sie stritten miteinander. Gottfried saß mit Mimi und Wally auf dem Sofa neben der Theke. Er war reizend mit beiden, auch mit Mimi, dem armen alten Geschöpf.

Die Mädchen gingen bald. Sie mußten ins Geschäft; jetzt war die Hauptzeit. Mimi ächzte und seufzte wegen ihrer Krampfadern. Ich setzte mich neben Gottfried. »Schieß nur los«, sagte ich.

»Wozu, Baby?« erwiderte er zu meinem Erstaunen. »Ist ganz richtig, was du machst.«

Ich war erleichtert, daß er es so einfach nahm. »Hätte ja schon vorher einen Ton reden können«, sagte ich.

Er winkte ab. »Unsinn.«

Ich bestellte mir einen Rum. »Weißt du«, sagte ich dann, »ich habe keine Ahnung, was sie ist und so. Auch nicht, wie sie zu dem Binding steht. Hat er dir damals eigentlich was gesagt?«

Er sah mich an. »Kümmert dich das was?«

»Nein.«

»Wollt’ ich auch meinen. Der Mantel steht dir übrigens gut.«

Ich errötete.

»Brauchst nicht rot zu werden. Hast ganz recht. Wollte, ich könnte es auch.«

Ich schwieg eine Weile. »Wieso, Gottfried?« fragte ich schließlich.

Er sah mich an. »Weil alles andere Dreck ist, Robby. Weil es heute nichts gibt, was lohnt. Denk daran, was Ferdinand dir gestern erzählt hat. Hat gar nicht unrecht, der alte dicke Leichenpinseler. Na, nun komm, setz dich an den Kasten da und spiel ein paar von den alten Soldatenliedern.«

Ich spielte »Drei Lilien« und den »Argonnerwald«. Es klang geisterhaft in dem leeren Lokal, wenn man daran dachte, wann wir es immer gesungen hatten.

VII

Zwei Tage später kam Köster eilig aus der Bude. »Robby, dein Blumenthal hat telefoniert. Du sollst um elf mit dem Cadillac zu ihm kommen. Er will eine Probefahrt machen.«

Ich schmiß Schraubenzieher und Engländer hin. »Mensch, Otto – wenn das was würde!«

»Was habe ich euch gesagt«, ließ Lenz sich aus der Grube unter dem Ford her vernehmen. »Er kommt wieder, habe ich gesagt. Immer auf Gottfried hören!«

»Halt den Schnabel, die Situation ist ernst«, schrie ich hinunter. »Otto, wieviel kann ich äußerst vom Preis nachlassen?«

»Äußerst zweitausend. Alleräußerst zweitausendzweihundert. Wenn’s gar nicht anders geht, zweifünf. Wenn du siehst, daß du einen Wahnsinnigen vor dir hast, zweisechs. Aber sag ihm, daß wir ihn dann in alle Ewigkeit verfluchen werden.«