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Verblöden unsere Kinder?
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Verblöden unsere Kinder?

Jürgen Holtkamp

Verblöden unsere Kinder?

Jürgen Holtkamp

Verblöden unsere Kinder?

Neue Medien als Herausforderung für Eltern

Butzon & Bercker

für Jana, Lea und Miriam

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Gesamtprogramm von Butzon & Bercker finden Sie im Internet unter www.bube.de

ISBN 978-3-7666-1286-1

E-BOOK ISBN 978-3-7666-4103-8

EPUB ISBN 978-3-7666-4104-5

© 2009 Butzon & Bercker GmbH, 47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de

www.religioeses-sachbuch.de

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagfoto: © Nicole Effinger – Fotolia.com

Umschlaggestaltung: Christoph Kemkes, Geldern

Satz: Schröder Media GbR, Dernbach

Inhalt

Einleitung

1. Kinder und Jugendliche in der Mediengesellschaft

„Medienkids“

Aufwachsen in der Mediengesellschaft

So nutzen unsere Kinder Medien

Jugendliche sind multimedial vernetzt

2. Wenn „Sex und Crime“ den Alltag beherrschen

Die Suche nach den Medienwirkungen

Wie unser Gehirn Medienbilder verarbeitet

Macht Fernsehen dumm und dick?

3. Wie Handys unser Leben verändern

„Nichts geht ohne mein Handy“

Mobbing, Gewalt und Pornografie – die andere Seite der Handynutzung

Brauchen Kinder und Jugendliche eine Handykompetenz?

4. Im Sog der Computerspiele

Wenn das Blut in Strömen fließt – Ego-Shooter

Spielplatz Internet

Wie gefährlich sind Computerspiele?

5. Das neue Internet (Web 2.0)

Communities erobern das Netz – SchülerVZ, StudiVZ und Co.

Elektronische Briefe und ICQ

Die Tophits aus dem Netz

„Mein Tagebuch im Internet“ – die Blogger

„Mein zweites Leben“ – Second Life

Vom Konsumenten zum Produzenten – Foto, Video und Audio

„Findest du mich nett?“ – Chatten

Schnäppchen oder Falle? – Kaufen im Internet

Werbeplattform Internet

6. Die hässliche Seite des Internets

Vorsicht: Datenklau und Spionage

Falsche Freunde – Cybermobbing

Hetze und Pornografie

Gewalt – nicht nur Quotenjäger im Fernsehen

Diagnose: Computersüchtig!

7. Leben in der Mediengesellschaft

Gibt es die „heile“ Kinderwelt?

„Lesen kommt vor Zocken“

Das „Wissen der Welt“

Schlau durch Computer und Internet?

Damit Eltern den Anschluss an die Mediengesellschaft nicht verlieren

Medienerziehung ist notwendiger denn je

Werteorientierung im Mediendschungel

8. Die Trauer bleibt! – Zum Amoklauf in Winnenden

Anhang

Eigene Mediennutzung

Fragebogen Kindersendungen

Persönliche Medienvorlieben

10 Tipps zum Umgang mit dem Fernsehen

Kommentierte Links

Fernsehen

Computerspiele

Handy

Medienkompetenz

Medienforschung

Schule

Internetportale für Kinder

Jugend

Jugendschutz

Beratung

Glossar

Ausgewählte Literatur

„Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß.

Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los.

In die Ecke, Besen! Besen! Seid’ s gewesen.

Denn als Geister

Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,

Erst hervor der alte Meister.“

Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe

Einleitung

Noch vor 25 Jahren, wenn – was selten der Fall war – im Unterricht ein Lehrfilm gezeigt wurde, war das für die meisten Schüler aufregend. Gemeinsam gingen sie in einen speziellen Vorführraum, in dem ein großer Filmprojektor stand, und unter der Anleitung des Lehrers durfte der Auserwählte den Film „einfädeln“. Wie von Geisterhand zog der Projektor die Filmrolle automatisch über mehrere Spulen durch, bis die Filmrolle am anderen Ende des Projektors herauskam und vom Schüler in die leere Filmspule eingelegt werden konnte. Dann wurde das Licht ausgeschaltet, der Projektor lief los, der Ton war zwar meistens nicht so gut und doch war die „Kinoatmosphäre“ spürbar.

Für die Medienkinder von heute gehören Filmrollen und Projektoren längst der Filmgeschichte an, sie kennen vielleicht noch die VHS-Kassette, auf jeden Fall DVD. Filme werden heute mit modernster Technik hoch auflösend und digital gedreht. Große TFT-Bildschirme und Beamer sind die neuen Fernseher. Das „Heimkino“ ist in die deutschen Wohnzimmer eingezogen.

Der Buchtitel „Verblöden unsere Kinder?“ fordert Sie, liebe Leserinnen und Leser (nur um des besseren Leseflusses verwende ich im Folgenden nur die männliche Form), zu einer Antwort auf. Vielleicht revidieren diejenigen, die die Frage mit „Ja“ beantworten, ihre Meinung am Ende dieses Buches. Diejenigen, die spontan mit „Nein“ antworten, werden – so hoffe ich – zögerlicher.

Unsere Kinder mögen in technischer Hinsicht die neuen Medien „beherrschen“ und damit der Elterngeneration überlegen sein, doch genügt dies keineswegs; was sie benötigen, sind ethische und moralische Maßstäbe. Sie benötigen ein Wertesystem, das ihnen hilft, Gutes von Schlechtem und Nützliches von Schädlichem zu unterscheiden, und sie sind auf Menschen angewiesen, die ihnen Kompetenzen und Strategien vermitteln, wie sie sich in der Mediengesellschaft kompetent zurechtfinden.

Täuscht etwa der Eindruck, dass die „Mediengeister“ analog zu denen, die der Zauberlehrling (in Goethes Ballade) rief und nicht mehr bändigen konnte, sich heute selbstständig gemacht haben? Kennen wir überhaupt die notwendigen Zaubersprüche? Bei Goethe gibt es einen Zaubermeister (Hexenmeister), der die Geister in die Schranken weist. Doch: Wer ist der Zaubermeister im 21. Jahrhundert? Sind es die Eltern oder vielleicht die Lehrer? Angesichts der technischen Kompetenzen heutiger Jugendlicher könnten dabei durchaus Zweifel angebracht sein. Oder zähmen etwa unsere Kinder schneller und effektiver die „Mediengeister“?

Wenn dem so ist, dann gibt es eine Umkehrung der Verhältnisse zwischen den Generationen. Die „Jungen“ sind die Experten und die „Alten“ die Lehrlinge! Ganz so abwegig ist der Gedanke nicht, immerhin können viele Kinder und Jugendliche schneller und effektiver mit dem Handy umgehen als ihre Eltern, kennen viel mehr Tricks am Computer und sind wahre Cracks im Internet.

Fragt sich nur, ob sie die Mediengeister, die – einmal gerufen – sich nun immer rascher verselbstständigen, in die Schranken weisen können. Zweifel sind angebracht, denn unsere Mediengesellschaft ist nicht nur viel komplexer, um mit einem Zauberspruch alles wieder ins Lot bringen zu können, sondern Kinder wie Jugendliche stehen oftmals hilflos vor den Mediengeistern.

Oder zähmen etwa Kindergarten, Schule und Politik die Mediengeister? Zu klären wäre, ob diese Institutionen über den notwendigen Überblick, die Kompetenzen, das Know-how und die richtigen „Zaubersprüche“ verfügen, um alles wieder geradebiegen zu können. Denkbar wäre ebenfalls, dass es gar keinen „Zaubermeister“ gibt. Diese Vorstellung wäre nicht nur ausgesprochen pessimistisch, sondern würde uns vor Augen halten, was in unzähligen Science-Fiction-Filmen gezeigt wurde: Medien regieren die Welt, Roboter beherrschen die Menschheit, Technik macht uns zu Sklaven.

So wie der Zauberlehrling fühlen sich viele: Grundschullehrerinnen, die am Montagmorgen die Horrorfilme von ihren Viertklässlern erzählt bekommen, die diese am Wochenende (im Fernsehen) gesehen haben. Eltern, die keine Zeit für ihre Kinder haben und ihre Kinder stundenlang vor dem Babysitter „Fernsehen“ parken. Jugendliche, die nach immer neuen Gewaltexzessen in Onlinespielen suchen und nur noch in der virtuellen Welt leben. Junge Frauen und Männer, die sich Tag und Nacht in Onlineforen verlieren, um ihre Sehnsüchte und Ängste erzählen zu können, nur: Eine Besserung ist nicht in Sicht. Nicht zu vergessen, extremistische Organisationen, die im Zeitalter des Internets mit aller Macht ihre rassistischen und ideologischen Pamphlete veröffentlichen und junge Menschen anlocken.

Es gibt sie, die hässliche Seite der Medien, in der das Individuum nichts und die Quote alles ist, in der „Deutschland sucht den Superstar“ zum Inbegriff der Fernsehkultur wird, in der die Grenze zur Pornografie immer weiter ausgedehnt wird und sich kaum jemand wundert, wenn zur Primetime um 20.15 Uhr mehrere Krimis, Liebes- und Actionfilme auf den Kanälen gleichzeitig zu sehen sind, Gewalt und nackte Haut inklusive.

Vor diesem Hintergrund sind die Stimmen, die sagen, „Medien schaden der abendländischen Kultur mehr, als dass sie ihr nützen“, ernst zu nehmen. Anscheinend bewertet jedoch nur ein (kleiner) Teil der Gesellschaft diese Phänomene als Problem: Viele Zeitgenossen nehmen die Medien als gegeben, zappen sich unreflektiert durch die Fernsehprogramme oder surfen ohne Sinn und Verstand im Internet. Eine kritische Medienrezeption sieht anders aus! Vielleicht sind deshalb die Erwartungen an die Pädagogik (respektive Medienpädagogik) von Politikern, Eltern, Wissenschaftlern und den Kirchen hoch. Müsste die Pädagogik diese Fragen nicht aufnehmen, analysieren, Konzepte entwickeln und Perspektiven für den verantwortungsvollen Umgang mit Medien aufzeigen? Meistens werden Pädagogen oder Psychologen jedoch erst dann gehört, wenn das „Kind“ sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist.

Wenn ein Jugendlicher ein Attentat – wie jüngst in Winnenden – in einer Schule verübt hat oder durch Bombendrohungen im Internet aufgefallen ist, wird gefragt: Wie konnte so etwas passieren? Warum hat niemand im Vorfeld etwas bemerkt? Wer hat versagt? Wo ist der Zaubermeister?

Aber gibt es nicht auch die andere Seite? Wenn ein Fünftel der Weltbevölkerung das Internet nutzen, geschätzte 1,3 Milliarden Menschen, mehr als 42 Millionen davon in Deutschland, dann ist die Globalisierung der Kommunikation in vollem Gange. Ist es da nicht fast folgerichtig, wenn Computerkenntnisse neben Lesen, Schreiben und Rechnen als vierte Kulturtechnik gesehen werden? Immerhin spielt der Computer eine bedeutende Rolle im Leben der Menschen, wirkt in fast alle Bereiche des sozialen Daseins, die Arbeitswelt, den Konsum, das Familienleben und die Kindererziehung hinein. Manche beklagen, ständig online und rund um die Uhr erreichbar zu sein, entfremde den Menschen von sich. Allerdings bietet das Internet Wirtschaftswachstum und Karrierechancen, dient als kommunikative Drehscheibe, auf der es alles gibt und die alles bietet, die besten Kochrezepte und Reiseangebote, den aktuellen Blockbuster, den preisgünstigen Fernseher, die neuesten Informationen und gigantische Zugriffsmöglichkeiten auf Wissensbestände, nicht zu vergessen die vielen Kontaktmöglichkeiten. All das klingt verlockend und fasziniert nicht nur Kinder und Jugendliche. Im Grunde geht es um folgende Fragen: Sind Fernsehen, Computer, Internet und Handy wirklich zum Vorteil des Menschen (der Kinder) und welchen Preis haben wir dafür zu zahlen? Wie verändern Medien unsere Kultur, die Gesellschaft und die Familien? Und: Wie gelingt es uns, die „Mediengeister“ unter Kontrolle zu halten?

Der amerikanische Medienwissenschaftler und Medienkritiker Neil Postman mahnte bereits in den 80er-Jahren an, dass wir Menschen uns für neue (technische) Möglichkeiten entscheiden und nicht daran denken, welche psychischen und kulturellen Verluste in der Zukunft damit einhergehen.

Die einen sehen einen Gewinn an Freiheit, während die andern den Verfall von Kultur befürchten bzw. diesen schon eingetreten sehen.

Was wir feststellen können: Die digitalen Medien sind „Miterzieher“! Neben Familie, Freundeskreis, Kindergarten und Schule beeinflussen sie die Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Heranwachsenden. Kindheit und Medien sind eng miteinander verwoben.

Die Frage, wer instrumentalisiert eigentlich wen?, bedarf daher einer dringenden Klärung.

Für nicht wenige Eltern sind Fernsehen, Handy und Internet die „Bösen“, denen ihre Kinder schutzlos ausgeliefert sind. Nun sind die Eltern aber keine in sich homogene Masse, auch sie nutzen Medien sehr verschieden und leben in unterschiedlichen Medienwelten. So wenig wie es „die Medien“ gibt, genauso wenig gibt es „die Kinder“ und „die Eltern“. Und was für die einen passend und gut ist, ist für die anderen zu viel und schädlich.

Wie Kinder und Jugendliche aufwachsen, wie sie mit Medien umgehen, welche sie bevorzugen, wie ihre Medienausstattung ist, versuche ich im ersten Teil zu klären.

Wenn Kinder und Jugendliche täglich mit Medien umgehen, wie steht es dann mit den Medienwirkungen und wie verarbeiten Kinder die Bilder eigentlich? Diese Fragen werden im zweiten Teil diskutiert.

Telefonieren, kurze Nachrichten schreiben oder Videos aufnehmen, Handys sind Multimediawerkzeuge mit vielen verschiedenen Funktionen und Anwendungen. Doch auch die schöne Welt der Handys bekommt zunehmend Risse, wenn von Menschen Videos aufgenommen werden, die sie in peinlichen Situationen zeigen und diese ohne deren Zustimmung ins Internet gestellt werden. Das sind einige der Themen, die im dritten Teil besprochen werden.

Computer können zum Spielen oder Arbeiten eingesetzt werden. Während viele Eltern zumindest die Nutzung des Computers als Arbeitsinstrument einigermaßen überschauen können, herrscht im Bereich der Spiele und des Internets häufig große Ratlosigkeit und Unkenntnis, fehlt nicht nur den Eltern, sondern auch Lehrern und Pädagogen das notwendige Know-how. Dies ist Thema des vierten Teils.

Welche Auswirkungen haben die Anwendungen des Webs 2.0 auf unsere Kinder? Ist das alles nur eine Marketingstrategie, die mehr verspricht, als sie hält, oder sieht so die glorreiche Zukunft des Internets aus? Inwieweit die neuen Kommunikationsangebote, die uns das Web 2.0 bietet, mehr Schein als Sein sind und wie wir diese sinnvoll nutzen können, werde ich im fünften Teil darstellen.

Bei Jugendlichen sind Computerspiele und Musikdownloads besonders beliebt. Was einerseits viel Spaß bereitet, wird zum Problem, wenn Musik illegal heruntergeladen und das Urheberrecht verletzt wird. Häufig gehen Kinder und Jugendliche zu sorglos mit dem Medium Internet um, geben persönliche Daten – etwa beim Chatten oder in Foren – preis. Im Internet gibt es viele Seiten mit rassistischen oder pornografischen sowie gewaltverherrlichenden Inhalten. Kindern und Jugendlichen fehlt nicht selten der „kritische Blick“. Die „hässliche“ Seite des Internets thematisiere ich im sechsten Teil.

Ich gehöre nicht zu den Kulturpessimisten, die in der Mediennutzung primär die negativen Gefahren sehen. Verbote und Filtersoftware sind für mich nicht die Instrumente für eine erfolgreiche Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen. Vielmehr plädiere ich für einen offenen und aufgeklärten Umgang mit den Neuen Medien. Kinder und Jugendliche müssen über die bestehenden Gefahren aufgeklärt werden, ihre berechtigen Fragen müssen beantwortet werden und sie sollten zu einem sicherheitsbewussten Verhalten motiviert werden. Diese medienpädagogischen Herausforderungen stelle ich im siebten Teil dar.

Ich möchte an dieser Stelle einigen Personen herzlich danken. Robert Henn, meinem Studienkollegen und lieben Freund, danke ich für Durchsicht, Korrektur und wichtige inhaltliche Hinweise. Meine Tochter Jana Holtkamp hat mich auf manche Ungereimtheiten hingewiesen. Meinen Töchtern Lea und Miriam habe ich – ohne dass sie es immer wahrgenommen haben – über die „Schulter“ geschaut und damit einiges über praktische Mediennutzung erfahren. Monika Holtkamp hat mir nicht nur den notwendigen zeitlichen Freiraum gewährt, der für ein solches Projekt zwingend notwendig ist, sondern das Manuskript korrigiert und mir in vielen Gesprächen Impulse und Anregungen gegeben. Dem Verlag Butzon und Bercker danke ich für die freundliche Unterstützung und Realisierung.

Jürgen Holtkamp

1. Kinder und Jugendliche in der Mediengesellschaft

Es waren Kinder und Jugendliche, die dafür sorgten, dass die Computer in die Privathaushalte kamen. Ende der 1970er-Jahre kamen die ersten Spielkonsolen auf den Markt, mit denen am Fernseher gespielt werden konnte. Weil die Spiele einfach aufgebaut, leicht zu bedienen und zu steuern waren, fanden sie reißenden Absatz. Ein Grund, diese Konsolen zu kaufen war, dass man erstmals nicht mehr passiv vor dem Fernseher saß, sondern aktiv in das Spielgeschehen eingreifen konnte. Die Spiele selbst waren kinderleicht, auch der Anschluss an den Fernseher einfach, und weil dieser bereits Bestandteil der „Wohnzimmerkultur“ war, konnten Kinder und Jugendliche dieses neue Medium intensiv ausprobieren.

Es war daher folgerichtig, dass die ersten Spielcomputer für ein jugendliches Publikum entwickelt wurden. Mehr als 20 Jahre sind seitdem vergangen und die Medienentwicklung hat viele neue Gerätetypen hervorgebracht, die den Familienalltag beeinflussen. Kinder wachsen mit verschiedenen Medien auf, ihre Biografie ist geprägt durch vielseitige Medienerfahrungen, angefangen vom Bilderbuch im Kindergarten, den Kindersendungen im Fernsehen bis zu Computer, Internet und Handy. Die Medien sind Massenprodukte, zu denen immer mehr Kinder Zugang haben. Kinder sind neugierig, erleben, wie ihre Eltern spannende Fernsehsendungen sehen, am Computer arbeiten, und weil ihre Eltern die ersten Vorbilder sind, möchten sie ihnen nacheifern.

„Medienkids“

Wie unterschiedlich Kinder im 21. Jahrhundert aufwachsen und wie verschieden sie Medien nutzen, zeigen die beiden folgenden fiktiven Medienbiografien.

Anna ist 14 Jahre alt und geht in die 8. Klasse. Sie besitzt einen eigenen Computer mit Internetanschluss, hört ihre Lieblingsmusik vom MP3-Player, der ihr täglicher Begleiter ist. Kommt Anna von der Schule, schaltet sie den Computer an und fährt ihn erst kurz vor dem Schlafen wieder herunter. Wie viele ihrer Freundinnen ist sie dauerhaft online, zu ihren Lieblingsseiten im Internet gehört „SchülerVZ“. Vokabeln lernt sie mit Hilfe eines Lernprogramms, im Internet recherchiert sie mit Hilfe von Google, ihre Hausaufgaben in Deutsch oder Geschichte schreibt sie mit einer Textverarbeitungs-Software. Für Erdkunde bedient sie sich des Programms „Google-Earth“. Die regelmäßig besuchten Lieblingswebseiten hat Anna als Favoriten in ihrem Browser gespeichert. Unterwegs ist Anna über das eigene Handy nicht nur ständig erreichbar, sie verschickt auch viele SMS an ihre Freunde. Gibt es technische Probleme mit dem Computer, fragt sie entweder ihre Schulkameraden oder die Eltern. Anna spielt gerne Simulationen am Computer, schaut amerikanische Serien im Fernsehen, angefangen bei „Desperate Housewives“ über „Gilmore Girls“ bis zu „Navy CIS“, aber auch Arztserien wie „Dr. House“ findet sie klasse.

Die Eltern verfügen über eine akademische Ausbildung und unterstützen die Tochter, wo sie können. Die Einstellung der Eltern zu den Medien ist grundsätzlich positiv, sie achten allerdings auch darauf, dass der Medienkonsum nicht zu Lasten der schulischen Leistungen geht. Die Familie unternimmt gemeinsame Ausflüge und Urlaube, in denen Kultur und Bildung wichtig sind.

Die regelmäßige Lektüre von Zeitung und Büchern gehört nicht nur zum Alltag der Eltern, auch Anna liest viel und gern. Regelmäßig geht sie zur Bücherei, um sich neuen Lesestoff und andere Medien, wie Hörbücher oder DVDs, auszuleihen.

Anna nutzt Medien aktiv, lässt sich von ihnen inspirieren, sie lebt in einem sozialen Klima, in dem Bildung und Wissenserwerb wichtig sind und irgendwie zum täglichen Leben dazugehören. Auch wenn der Computer ihr täglicher Wegbegleiter ist, sind ihr Freunde und soziale Kontakte wichtiger als jedes Computerspiel. Daher lässt sie es sich in ihrem straffen Schulalltag nicht nehmen, AGs in der Schule zu besuchen und der Jugendgruppe der Gemeinde anzugehören. Auch die wöchentliche Klavierstunde bringt sie in ihrer Woche unter.

Der Alltag von Thomas sieht sehr anders aus. Er geht ebenfalls in die 8. Klasse und lebt mit Mutter und Schwester in einer kleinen Wohnung. Die Mutter arbeitet ganztags, die finanziellen Verhältnisse, in denen Thomas aufwächst, sind schwierig. Wenn Thomas von der Schule nach Hause kommt, schaltet er den Fernseher ein und zappt sich durch die Programme, seine Hausaufgaben macht er vor dem „Flimmerkasten“ nebenbei. Er schaut gerne Actionserien, die auf den privaten Sendern laufen. Der Fernseher ist ständiger Begleiter in seinem Alltag. Gerne spielt er Playstation. Wenn die Mutter abends von der Arbeit zurück ist, muss sie den Haushalt organisieren und ist danach erschöpft von ihrem anstrengenden Arbeitstag.

Thomas hat einen Computer, auf dem er am liebsten Actionspiele mit seinem Freund spielt. Er hat auch schon diverse „verbotene“ Spiele ausprobiert. Bücher liest er nicht und den Gang in die Bücherei spart er sich ebenfalls, da es dort die Computerspiele, die ihn faszinieren, nicht gibt. Die Schule mag Thomas nicht, es fällt ihm schwer, die Inhalte zu verstehen, und da seine Mutter ihm in vielen Fällen auch nicht weiterhelfen kann, sind die Noten gerade so ausreichend.

Die Beispiele „Anna und Thomas“ zeigen: Die Medienwelten, in denen beide groß werden, sind ziemlich unterschiedlich und die Bildungschancen der beiden Kinder ungleich.

Dazu, wie Menschen leben, wie sie ihre Freizeit gestalten, welche Wertmaßstäbe sie ihren Handlungen zugrunde legen, gibt es eine Reihe von Untersuchungen. Zu den bekanntesten gehört das Modell der Sinus-Milieus (www.sinus-sociovision.de), das zehn Milieus benennt. Darin werden Menschen zusammengefasst, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Es sind Gruppen von „Gleichgesinnten“ in der Grundorientierung. In einem Raster lassen sich die Milieus nach der sozialen Lage (Einkommen, Bildung und Beruf) und nach der Grundorientierung von traditionell bis postmodern einteilen. Die Grundorientierung wird in drei Bereiche unterteilt, den traditionellen Werten, der Modernisierung und der Neuorientierung. Zum besseren Verständnis stelle ich die Milieus kurz dar.

Konservative: Etwa 5 Prozent der Bevölkerung gehören zu diesem Milieu, das dem deutschen Bildungsbürgertum zugeordnet wird, und Dreiviertel der Milieuangehörigen sind über 50 Jahre alt. Humanistische Bildung, Pflichterfüllung und das Pflegen der Traditionen sind die Merkmale der Konservativen. Sie kritisieren den Verfall von Sitte und Anstand und legen großen Wert auf die Familie. Sie sind bzw. waren beruflich erfolgreich, verfügen teilweise über ein großes Vermögen, schätzen die Oper, das Theater und genießen ihre Freizeit bzw. den Lebensabend.

Traditionsverwurzelte: Mit 14 Prozent die zweitgrößte Gruppe. Sie zählen zur Kriegs- bzw. Nachkriegsgeneration, in der Pflichterfüllung, Disziplin und Bescheidenheit wichtige Werte der Gesellschaft sind. Ein Großteil dieser Personen sind Rentner (Altersdurchschnitt 70 Jahre), die aus einer „kleinbürgerlichen Welt“ (Arbeiter, kleine Angestellte, Bauern) stammen. Nachbarschaftspflege und Traditionen sind ihnen sehr wichtig. Sie haben immer gespart, sind für sich selbst anspruchslos, unterstützen ihre Kinder und Enkelkinder aber sehr.