Der Tod in Venedig
Erstes Kapitel
Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautet, hatte an einem Fruhlingsnachmittag des Jahres 19…, das unserem Kontinent monatelang eine so gefahrdrohende Miene zeigte, von seiner Wohnung in der Prinzregentenstraße[72] zu Müchen aus allein einen weiteren Spaziergang unternommen. Überreizt von der schwierigen und gefährlichen, eben jetzt eine höchste Behutsamkeit, Umsicht, Eindringlichkeit und Genauigkeit des Willens erfordernden Arbeit der Vormittagsstunden, hatte der Schriftsteller dem Fortschwingen des produzierenden Triebwerkes in seinem Innern, jenem „motus animi continuus“[73], worin nach Cicero[74] das Wesen der Beredsamkeit besteht, auch nach der Mittagsmahlzeit nicht Einhalt zu tun[75] vermocht und den entlastenden Schlummer nicht gefunden, der ihm, bei zunehmender Abnutzbarkeit seiner Kräfte, einmal untertags so nötig war. So hatte er bald nach dem Tee das Freie gesucht[76], in der Hoffnung, dass Luft und Bewegung ihn wiederherstellen und ihm zu einem ersprießlichen Abend verhelfen würden.
Es war Anfang Mai und, nach nasskalten Wochen, ein falscher Hochsommer eingefallen. Der Englische Garten[77], obgleich nur erst zart belaubt, war dumpfig wie im August und in der Nähe der Stadt voller Wagen und Spaziergänger gewesen. Beim Aumeister[78], wohin stillere und stillere Wege ihn geführt, hatte Aschenbach eine kleine Weile den volkstümlich belebten Wirtsgarten überblickt, an dessen Rand einige Droschken und Equipagen hielten, hatte von dort bei sinkender Sonne seinen Heimweg außerhalb des Parks über die offene Flur genommen und erwartete, da er sich müde fühlte und über Föhring[79] Gewitter drohte, am Nördlichen Friedhof die Tram, die ihn in gerader Linie zur Stadt zurückbringen sollte.
Zufällig fand er den Halteplatz und seine Umgebung von Menschen leer. Weder auf der gepflasterten Ungererstraße[80], deren Schienengeleise sich einsam gleißend gegen Schwabing[81] erstreckten, noch auf der Föhringer Chaussee war ein Fuhrwerk zu sehen; hinter den Zäunen der Steinmetzereien, wo zu Kauf stehende Kreuze, Gedächtnistafeln und Monumente ein zweites, unbehaustes Gräberfeld bilden, regte sich nichts, und das byzantinische Bauwerk der Aussegnungshalle[82] gegenüber lag schweigend im Abglanz des scheidenden Tages. Ihre Stirnseite, mit griechischen Kreuzen und hieratischen Schildereien in lichten Farben geschmückt, weist überdies symmetrisch angeordnete Inschriften in Goldlettern auf, ausgewählte, das jenseitige Leben betreffende Schriftworte, wie etwa: „Sie gehen ein in die Wohnung Gottes“ oder: „Das ewige Licht leuchte ihnen“; und der Wartende hatte während einiger Minuten eine ernste Zerstreuung darin gefunden, die Formeln abzulesen und sein geistiges Auge in ihrer durchscheinenden Mystik sich verlieren zu lassen, als er, aus seinen Träumereien zurückkehrend, im Portikus, oberhalb der beiden apokalyptischen Tiere[83], welche die Freitreppe bewachen, einen Mann bemerkte, dessen nicht ganz gewöhnliche Erscheinung seinen Gedanken eine völlig andere Richtung gab.
Ob er nun aus dem Innern der Halle durch das bronzene Tor hervorgetreten oder von außen unversehens heran und hinauf gelangt war, blieb ungewiss. Aschenbach, ohne sich sonderlich in die Frage zu vertiefen, neigte zur ersteren Annahme. Mäßig hochgewachsen, mager, bartlos und auffallend stumpfnasig, gehörte der Mann zum rothaarigen Typ und besaß dessen milchige und sommersprossige Haut. Offenbar war er durchaus nicht bajuwarischen[84] Schlages: wie denn wenigstens der breit und gerade gerandete Basthut, der ihm den Kopf bedeckte, seinem Aussehen ein Gepräge des Fremdländischen und Weitherkommenden verlieh[85]. Freilich trug er dazu den landesüblichen Rucksack um die Schultern geschnallt, einen gelblichen Gurtanzug aus Lodenstoff[86], wie es schien, einen grauen Wetterkragen über dem linken Unterarm, den er in die Weiche gestützt hielt, und in der Rechten einen mit eiserner Spitze versehenen Stock, welchen er schräg gegen den Boden stemmte und auf dessen Krücke er, bei gekreuzten Füßen; die Hüfte lehnte. Erhobenen Hauptes, so dass an seinem hager dem losen Sporthemd entwachsenden Halse der Adamsapfel stark und nackt hervortrat, blickte ef mit farblosen, rotbewimperten Augen, zwischen denen, sonderbar genug zu seiner kurz aufgeworfenen Nase passend, zwei senkrechte, energische Furchen standen, scharf spähend ins Weite. So – und vielleicht trug sein erhöhter und erhöhender Standort zu diesem Eindruck bei – hatte seine Haltung etwas herrisch Überschauendes, Kühnes oder selbst Wildes; denn sei es, dass er, geblendet, gegen die untergehende Sonne grimassierte oder dass es sich um eine dauernde physiognomische Entstellung handelte: seine Lippen schienen zu kurz, sie waren völlig von den Zähnen zurückgezogen, dergestalt, dass diese, bis zum Zahnfleisch bloßgelegt, weiß und lang dazwischen hervorbleckten.
Wohl möglich, dass Aschenbach es bei seiner halb zerstreuten, halb inquisitiven Musterung des Fremden an Rücksicht hatte fehlen lassen, denn plötzlich ward er wahr, dass jener seinen Blick erwiderte, und zwar so kriegerisch, so gerade ins Auge hinein, so offenkundig gesonnen, die Sache aufs Äußerste zu treiben und den Blick des andern zum Abzug zu zwingen, dass Aschenbach, peinlich berührt, sich abwandte und einen Gang die Zäune entlang begann, mit dem beiläufigen Entschluss, des Menschen nicht weiter achtzuhaben. Er hatte ihn in der nächsten Minute vergessen. Mochte nun aber das Wandererhafte in der Erscheinung des Fremden auf seine Ennbildungskraft gewirkt haben oder sonst irgendein physischer oder seelischer Einfluss im Spiele sein[87]: eine seltsame Ausweitung seines Innern ward ihm ganz überraschend bewußt, eine Art schweifender Unruhe, ein jugendlich durstiges Verlangen in die Feme, ein Gefühl, so lebhaft, so neu oder doch so längst entwohnt und verlernt, dass er, die Hände auf dem Rücken und den Blick am Boden, gefesselt stehenblieb, um die Empfindung auf Wesen und Ziel zu prüfen.
Es war Reiselust, nichts weiter; aber wahrhaft als Anfall auftretend und ins Leidenschaftliche, ja bis zur Sinnestäuschung gesteigert. Seine Begierde war sehend, seine Einbildungskraft, noch nicht zur Ruhe gekommen seit den Stunden der Arbeit, schuf sich ein Beispiel für alle Wunder und Schrecken der mannigfaltigen Erde, die sie auf einmal sich vorzustellen bestrebt war: er sah, sah eine Landschaft, ein tropisches Sumpfgebiet unter dickdunstigem Himmel, feucht, üppig und ungeheuer, eine Art Urweltbildnis aus Inseln, Morasten und Schlamm führenden Wasserarmen – sah aus geilem Farrengewucher, aus Gründen von fettem, gequollenem und abenteuerlich blühendem Pflanzenwerk haarige Palmenschäfte nah und ferne emporstreben, sah wunderlich ungestalte Bäume ihre Wurzeln durch die Luft in den öden, in stockende, grünschattig spiegelnde Fluten versenken, wo zwischen schwimmenden Blumen, die milchweiß und groß wie Schüsseln waren, Vögel von fremder Art, hochschultrig, mit unförmigen Schnäbeln, im Seichten standen und unbeweglich zur Seite blickten, sah zwischen den knotigen Rohrstämmen des Bambusdickichts die Lichter eines kauernden Tigers funkeln – und fühlte sein Herz pochen vor Entsetzen und rätselhaftem Verlangen. Dann wich das Gesicht; und mit einem Kopfschütteln nahm Aschenbach seine Promenade an den Zäunen der Grabsteinmetzereien wieder auf.
Er hatte, zum mindesten seit ihm die Mittel zu Gebote gewesen waren[88], die Vorteile des Weltverkehrs beliebig zu genießen, das Reisen nicht anders denn als eine hygienische Maßregel betrachtet, die gegen Sinn und Neigung dann und wann hatte getroffen werden müssen. Zu beschäftigt mit den Aufgaben, welche sein Ich und die europäische Seele ihm stellten, zu belastet von der Verpflichtung zur Produktion, der Zerstreuung zu abgeneigt, um zum Liebhaber der bunten Außenwelt zu taugen, hatte er sich durchaus mit der Anschauung begnügt, die jedermann, ohne sich weit aus seinem Kreise zu rühren, von der Oberfläche der Erde gewinnen kann, und war niemals auch nur versucht gewesen, Europa zu verlassen. Zumal seit sein Leben sich langsam neigte, seit seine Künstlerfurcht, nicht fertig zu werden – diese Besorgnis, die Uhr mochte abgelaufen sein, bevor er das Seine getan und völlig sich selbst gegeben – , nicht mehr als bloße Grille von der Hand zu weisen war, hatte sein äußeres Dasein sich fast ausschließlich auf die schöne Stadt, die ihm zur Heimat geworden, und auf den rauhen Landsitz beschränkt, den er sich im Gebirge errichtet und wo er die regnerischen Sommer verbrachte.
Auch wurde denn, was ihn da eben so spät und plötzlich angewandelt, sehr bald durch Vernunft und von jung auf geübte Selbstzucht gemäßigt und richtiggestellt. Er hatte beabsichtigt, das Werk, für welches er lebte, bis zu einem gewissen Punkte zu fördern, bevor er aufs Land übersiedelte, und der Gedanke einer Weltbummelei, die ihn auf Monate seiner Arbeit entführen würde, schien allzu locker und planwidrig, er durfte nicht ernstlich in Frage kommen. Und doch wusste er nur zu wohl, aus welchem Grunde die Anfechtung so unversehens hervorgegangen war. Fluchtdrang war sie, dass er es sich eingestand, diese Sehnsucht ins Ferne und Neue, diese Begierde nach Befreiung, Entbürdung und Vergessen – der Drang hinweg vom Werke, von der Alltagsstätte eines starren, kalten und leidenschaftlichen Dienstes. Zwar liebte er ihn und liebte auch fast schon den entnervenden, sich täglich erneuernden Kampf zwischen seinem zähen und stolzen, so oft erprobten Willen und dieser wachsenden Müdigkeit, von der niemand wissen und die das Produkt auf keine Weise, durch kein Anzeichen des Versagens und der Lassheit verraten durfte. Aber verständig schien es, den Bogen nicht zu überspannen[89] und ein so lebhaft ausbrechendes Bedürfnis nicht eigensinnig zu ersticken. Er dachte an seine Arbeit, dachte an die Stelle, an der er sie auch heute wieder, wie gestern schon, hatte verlassen müssen und die weder geduldiger Pflege noch einem raschen Handstreich sich fügen zu wollen schien. Er prüfte sie aufs neue, versuchte die Hemmung zu durchbrechen oder aufzulösen und ließ mit einem Schauder des Widerwillens vom Angriff ab. Hier bot sich keine außerordentliche Schwierigkeit, sondern was ihn lähmte, waren die Skrupel der Unlust, die sich als eine durch nichts mehr zu befriedigende Ungenügsamkeit darstellte. Ungenügsamkeit freilich hatte schon dem Jüngling als Wesen und innerste Natur des Talentes gegolten, und um ihretwillen hatte er das Gefühl gezügelt und erkältet, weil er wusste, dass es geneigt ist, sich mit einem fröhlichen Ungefähr und mit einer halben Vollkommenheit zu begnügen. Rächte sich nun also die geknechtete Empfindung, indem sie ihn verließ, indem sie seine Kunst fürder zu tragen und zu beflügeln sich weigerte und alle Lust, alles Entzücken an der Form und am Ausdruck mit sich hinwegnahm? Nicht, dass er Schlechtes herstellte: dies wenigstens war der Vorteil seiner Jahre, dass er sich seiner Meisterschaft jeden Augenblick in Gelassenheit sicher fühlte. Aber er selbst, während die Nation sie ehrte, er ward ihrer nicht froh, und es schien ihm, als ermangle sein Werk jener Merkmale feurig spielender Laune, die, ein Erzeugnis der Freude, mehr als irgendein innerer Gehalt, ein gewichtiger Vorzug, die Freude der genießenden Welt bildeten. Er fürchtete sich vor dem Sommer auf dem Lande, allein in dem kleinen Hause mit der Magd, die ihm das Essen bereitete, und dem Diener, der es ihm auftrug; fürchtete sich vor den vertrauten Angesichten der Berggipfel und – wände, die wiederum seine unzufriedene Langsamkeit umstehen würden. Und so tat denn eine Einschaltung not, etwas Stegreifdasein[90], Tagedieberei, Fernluft und Zufuhr neuen Blutes, damit der Sommer erträglich und ergiebig werde. Reisen also – er war es zufrieden. Nicht gar weit, nicht gerade bis zu den Tigern. Eine Nacht im Schlafwagen und eine Siesta[91]von drei, vier Wochen an irgendeinem Allerweltsferienplatze im liebenswürdigen Süden…
So dachte er, während der Lärm der elektrischen Tram die Ungererstraße daher sich näherte, und einsteigend beschloss er, diesen Abend dem Studium von Karte und Kursbuch zu widmen. Auf der Plattform fiel ihm ein, nach dem Manne im Basthut, dem Genossen dieses immerhin folgenreichen Aufenthaltes, Umschau zu halten[92]. Doch wurde ihm dessen Verbleib nicht deutlich, da er weder an seinem vorherigen Standort noch auf dem weiteren Halteplatz, noch auch im Wagen ausfindig zu machen war.
Zweites Kapitel
Der Autor der klaren und mächtigen ProsaEpopöe vom Leben Friedrichs von Preußen[93]; der geduldige Künstler, der in langem Fleiß den figurenreichen, so vielerlei Menschenschicksale im Schatten einer Idee versammelnden Romanteppich, „Maja“ mit Namen, wob; der Schöpfer jener starken Erzählung, die „Ein Elender“ überschrieben ist und einer ganzen dankbaren Jugend die Möglichkeit sittlicher Entschlossenheit jenseits der tiefsten Erkenntnis zeigte; der Verfasser endlich (und damit sind die Werke seiner Reifezeit kurz bezeichnet) der leidenschaftlichen Abhandlung über „Geist und Kunst“, deren ordnende Kraft und antithetische Beredsamkeit ernste Beurteiler vermochte, sie unmittelbar neben Schillers Räsonnement über naive und sentimentalische Dichtung[94] zu stellen: Gustav Aschenbach also war zu L., einer Kreisstadt der Provinz Schlesien[95], als Sohn eines höheren Justizbeamten geboren. Seine Vorfahren waren Offiziere, Richter, Verwaltungsfunktionäre gewesen, Männer, die im Dienste des Königs, des Staates ihr straffes, anständig karges Leben geführt hatten. Innigere Geistigkeit hatte sich einmal, in der Person eines Predigers, unter ihnen verkörpert; rascheres, sinnlicheres Blut war der Familie in der vorigen Generation durch die Mutter des Dichters, Tochter eines böhmischen[96] Kapellmeisters, zugekommen. Von ihr stammten die Merkmale fremder Rasse in seinem Äußern. Die Vermählung dienstlich nüchterner Gewissenhaftigkeit mit dunkleren, feurigeren Impulsen ließ einen Künstler und diesen besonderen Künstler erstehen.
Da sein ganzes Wesen auf Ruhm gestellt war, zeigte er sich, wenn nicht eigentlich frühreif, so doch, dank der Entschiedenheit und persönlichen Prägnanz seines Tonfalls, früh für die Öffentlichkeit reif und geschickt. Beinahe noch Gymnasiast, besaß er einen Namen. Zehn Jahre später hatte er gelernt, von seinem Schreibtische aus zu repräsentieren, seinen Ruhm zu verwalten, in einem Briefsatz, der kurz sein musste (denn viele Ansprüche dringen auf den Erfolgreichen, den Vertrauenswürdigen ein), gütig und bedeutend zu sein. Der Vierziger hatte, ermattet von den Strapazen und Wechselfällen der eigentlichen Arbeit, alltäglich eine Post zu bewältigen, die Wertzeichen aus aller Herren Ländern[97] trug.
Ebenso weit entfernt vom Banalen wie vom Exzentrischen, war sein Talent geschaffen, den Glauben des breiten Publikums und die bewundernde, fordernde Teilnahme der Wählerischen zugleich zu gewinnen. So, schon als Jüngling von allen Seiten auf die Leistung – und zwar die außerordentliche – verpflichtet, hatte er niemals den Müßiggang, niemals die sorglose Fahrlässigkeit der Jugend gekannt. Als er um sein fünfunddreißigstes Jahr in Wien erkrankte, äußerte ein feiner Beobachter über ihn in Gesellschaft: „Sehen Sie, Aschenbach hat von jeher nur so gelebt“ – und der Sprecher schloss die Finger seiner Linken fest zur Faust – ; „niemals so“ – und er ließ die geöffnete Hand bequem von der Lehne des Sessels hängen. Das traf zu; und das Tapfer-Sittliche daran war, dass seine Natur von nichts weniger als robuster Verfassung und zur ständigen Anspannung nur berufen, nicht eigentlich geboren war. Ärztliche Fürsorge hatte den Knaben vom Schulbesuch ausgeschlossen und auf häuslichen Unterricht gedrungen. Einzeln, ohne Kameradschaft war er aufgewachsen und hatte doch zeitig erkennen müssen, dass er einem Geschlecht angehörte, in dem nicht das Talent, wohl aber die physische Basis eine Seltenheit war, deren das Talent zu seiner Erfüllung bedarf – einem Geschlecht, das früh sein Bestes zu geben pflegt und in dem das Können es selten zu Jahren bringt. Aber sein Lieblingswort war „Durchhalten“ – er sah in seinem Friedrich-Roman nichts anderes als die Apotheose dieses Befehlswortes, das ihm als der Inbegriff leidend-tätiger Tugend erschien. Auch wünschte er sehnlichst, alt zu werden, denn er hatte von jeher dafür gehalten, dass wahrhaft groß, umfassend, ja wahrhaft ehrenwert nur das Künstlertum zu nennen sei, dem es beschieden war, auf allen Stufen des Menschlichen charakteristisch fruchtbar zu sein.
Da er also die Aufgaben, mit denen sein Talent ihn belud, auf zarten Schultern tragen und weit gehen wollte, so bedurfte er höchlich der Zucht – und Zucht war ja zum Glücke sein eingeborenes Erbteil von väterlicher Seite. Mit vierzig, mit fünfzig Jahren, wie schon in einem Alter, wo andere verschwenden, schwärmen, die Ausführung großer Pläne getrost verschieben, begann er seinen Tag beizeiten mit Stürzen kalten Wassers über Brust und Rücken und brachte dann, ein Paar hoher Wachskerzen in silbernen Leuchtern zu Häupten des Manuskripts, die Kräfte, die er im Schlaf gesammelt, in zwei oder drei inbrünstig gewissenhaften Morgenstunden der Kunst zum Opfer dar. Es war verzeihlich, ja, es bedeutete recht eigentlich den Sieg seiner Moralität, wenn Unkundige die Maja[98]
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Примечания
1
„Einfried“ – название санатория, происходит от глагола einfrieden, т. е. отгораживать, огораживать
2
Rivale, m – соперник; слово имеет французское происхождение, немецкий синоним – der Nebenbuhler
3
Phthisiker – легочные больные, туберкулезники, больные туберкулезом.
4
Mehrere Herren mit entfleischten Gesichtern werfen auf jene unberherrschte Art ihre Beine, die nichts Gutes bedeutet. – Некоторые господа с исхудавшими лицами передвигали свои неуправляемые ноги тем странным образом, который не означал ничего хорошего.
5
in Flor stehen – процветать
6
nicht der Rede wert sein – об этом не стоит и говорить; не стоит упоминания
7
Empirestil – стиль ампир – стиль в архитектуре и декоративном искусстве начала XIX века, сложился в эпоху Наполеона I во Франции
8
Tempelchen – миниатюрные замки
9
take care – английский вариант немецкого Achtung! – Осторожно!
10
die Zunge zwischen die Zähne nehmen – замолчать, не сказать ни слова
11
Braunen, f, Pl. - гнедые
12
vom Strande der Ostsee – с берегов Балтийского моря, то есть с севера Германии
13
Tuchrock, m – суконная юбка
14
Taille, f – талия, приталенная блузка
15
Arabesken – растительный орнамент
16
darling – английский вариант немецкого Liebling – дорогая
17
nee, Deubel noch mal – (разг., прост.) – чёрт побери
18
er blieb wie angewurzelt stehen – он остановился как вкопанный
19
das Jawort fürs Leben erteilen – дать свое согласие на брак
20
Wochenbett, n – период, длящийся до восьми недель после родов
21
nurse – английский вариант немецкого Amme, Kindermädchen – няня
22
Diner, m – слово пришло из французского языка и означает званый, торжественный обед
23
seine Sprache erhielt etwas Gaumiges und Nasales – он говорил гортанно и немного в нос
24
Spinell – шпинель, кристаллический минерал, драгоценный красный или голубой камень
25
Gobelins – гобелены, настенные тканые картины
26
Meubles = Möbel
27
jemandem eine gesegnete Mahlzeit wünschen – желать кому-либо приятного аппетита
28
große Stücke auf jemanden halten – быть высокого мнения о ком-то; возлагать на кого-то большие надежды
29
empire – см. пояснения к главе 2 (Empirestil)
30
Piano, n – das Klavier = пианино
31
Whist, m – вист, карточная игра
32
es dünkt mich = es scheint mir – мне кажется
33
Zeit unseres Lebens – в течение всей нашей жизни
34
Sylphe, f – сильфида, воздушное создание – weiblicher Luftgeist
35
Jahrmarktsherkules – ярмарочный силач
36
Schlächterbursche – мясник
37
Bewahre! – Боже сохрани!
38
Eckhof = Ekhof, Conrad – Экгоф Конрад (1720–1778), немецкий актер, друживший с Лессингом
39
Eckhof passiert. – Экгоф подойдет.
40
Des Vaters erwähnen – старое употребление глагола с Genitiv вместо современного употребления с Akkusativ
41
Giebelhaus, n – фронтонное здание, здание с остроконечной двускатной крышей
42
das Zeitliche segnen – образное выражение для «умереть»
43
straf’ mich Gott – покарай меня Господь!
44
Man tat sich ihretwegen die Zähne nicht voneinander – ради этого даже рот было лень открыть
45
niggersongs – Negerlieder; имеет пренебрежительный оттенок
46
Chopin, Frederic – Фридерик Шопен (1810–1849), польский композитор и пианист
47
Nocturne, n = Notturno, n – ноктюрн
48
Es-Dur, n – ми бемоль мажор
49
Sforzato, n – акцентируя, с силой выделяя
50
Cello, n – Plural – die Celli – виолончель
51
Brangänens – Брангена, персонаж оперы Вагнера «Тристан и Изольда», служанка Изольды
52
Habet-Acht-Gesang – ария Брангены, в которой звучит предупреждение об опасности
53
Pianissimo – пианиссимо, очень тихо
54
Schottisch gekleidet – одета шотландку, то есть в одежду из ткани в клетку
55
Apotheose, n – апофеоз, то есть прославление, бурная финальная сцена
56
Gourmand, m = Gourmet, m – гурман
57
Die Post hatte ihre Pflicht getan – почта сделала свое дело, обыгрывается фраза Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan – «Мавр сделал свое дело» из драмы Шиллера «Заговор Фиеско в Генуе»
58
Beinkleides, n – штаны
59
Hanswurst, m – «хансвурст» – персонаж кукольного театра; шут, паяц, скоморох
60
Sie befinden sich auf dem Holzwege – Вы на ложном пути
61
ich habe das Herz auf dem rechten Fleck – У меня сердце на нужном месте; Я хороший человек
62
in die Pfanne jemanden hauen – разнести кого-то в пух и прах; разбить наголову, стереть в порошок
63
Invektiven – оскорбления
64
das blaue Wunder erleben – хлебнуть горя, не обобраться хлопот
65
Silbergroschen, m – серебряный грош (монета в десять пфеннигов), то есть очень мелкая монета
66
aus dem Felde jemanden schlagen – одержать над кем-то верх
67
das Herz auf dem rechten Fleck haben – см. выше
68
aus den Fugen gehen – расшататься, расклеиться, прийти в беспорядок
69
Flausjacke, f – байковая курточка, курточка из мягкой, пушистой ткани
70
Beißring, m – кольцо для прорезающихся зубов у детей