»Was machen Sie hier?« Sie versuchte ihre Stimme freundlich zu halten.
»Ich denke, dass Sie die Antwort auf diese Frage bereits kennen, Ms. Anderson. Habe jedoch nicht erwartet, Sie so früh schon wach zu sehen, nach solch einer langen Nacht.«
»Ich auch nicht.« Sie hob leicht die Box hoch, während sie gingen. »Entschuldigungs-Donuts.«
Der Mann mittleren Alters nickte. »Kenne ich.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Das war ich.« Er nippte an seinem Reisebecher. »Habe nicht genug Donuts gekauft, schätze ich.«
»Tut mir leid.«
»Ist okay.« Sie bogen auf ihre Straße ein und er beäugte einen Läufer, der an ihnen vorbeiging.
»Also, habe ich einen Codenamen?«
Dean gluckste. »Ja, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen sagen sollte, wie er lautet.«
»Ist es die Harpyie?« Er schüttelte seinen Kopf. »Der Falke? Der Fuchs? Der Clownfisch?« Er lachte. »Schön, dann sagen Sie mir seinen Codenamen. Ich will mich hämisch freuen.«
»Meine Lippen sind versiegelt.«
»Keine Sorge, ich werde sie entsiegeln.«
»Sollte ich mir Sorgen machen, Ma’am?«
»Ja, das sollten Sie. Oh-oh.« Parkers Kutsche war bereits draußen vor dem Eingang. »Bis später.« Er hielt die Tür für sie auf und sie eilte die drei Treppenläufe hoch.
Parker sah erleichtert aus, als er sie kommen sah. »Das bist du ja; wir haben versucht dich anzurufen, aber die Mailbox ging dran.«
»Entschuldige, es muss noch immer im ›Stör mich und stirb‹-Modus sein. »Ich dachte, ich bin vor dir da.« Sie behielt ihren Schwung bei, während sie die Stufen hochging, und stieß in den wartenden König. »Halt mal«, sagte sie, während sie in ihrer Tasche nach ihren Schlüsseln fischte.
»Kein Bedarf.« Waldo öffnete die Eingangstür für sie, verzog dabei das Gesicht. »Ma’am, nichts für ungut, aber Ihre Sicherung ist ziemlich lasch. Ich habe das hier in weniger als drei Minuten geknackt.«
»Kein Donut für Sie, Waldo.« Sie ging hinein und Parker folgte ihr zögerlich.
»Wir müssen über die Sicherheitslage sprechen, Abs.«
»Pst. Komm rein und setz dich. Du bist nur mürrisch, weil du dachtest, dass ich vermisst werde, und dein Blutzucker niedrig ist.«
Er verschränkte seine Arme. »Ich habe bereits gegessen.«
»Ich dachte, das sei ein Frühstücks-Date?«
»Ich stehe um fünf auf.«
»Oh.« Abbie blickte sich frustriert um. »Na ja, ich habe Donuts. Du musst keinen davon nehmen.« Sie stellte die Donuts auf der Theke ab und hängte ihre Handtasche auf. »Schau, ich weiß, dass du sauer auf mich bist.«
Seine Haltung wurde nicht weniger abwehrend. »Nicht wütend per se ...« Sie durchquerte die Küche dorthin, wo er noch immer an der Eingangstür stand. Sie legte ihre Arme um ihn, wobei seine Arme zwischen ihnen noch immer verschränkt waren.
»Ich weiß, dass du sauer auf mich bist«, flüsterte sie. »Letzte Nacht tut mir leid. Ich habe das nicht korrekt gehandhabt.«
»Da stimmen wir überein.«
»Wie kann ich es wiedergutmachen?«
Seine Schultern senkten sich um einen Zentimeter. »Ich habe ein paar Ideen.«
»Oh?« Sie drückte einen sanften Kuss auf seine Lippen.
»Du könntest in ein sichereres Gebäude ziehen.«
Sie schüttelte ihren Kopf, küsste ihn wieder. »Ich mag mein Gebäude. Es ist von der Regierung genehmigt.«
»Nicht meiner Regierung. Und ich bin sicher, dass es für Ausreißer im Teenageralter und gescheiterte Tageshändler in Ordnung ist, die nicht zwölf Todesdrohungen gegen sich haben ...«
Abbies Handy bingte und sie zog es heraus. »Es ist Davis. Er will wissen, warum da heute wieder ›zwei schräge Typen‹ vor meinem Apartment stehen.« Sie drehte es, so dass er sehen konnte. »Und Mrs. Beaverton hat mich heute Morgen auf ihrem Weg zur Kirche erwischt und mich dasselbe gefragt.« Sie legte das Handy weg. »Du kannst mir nicht erzählen, dass alle Nachbarn diesen Grad an Sorge füreinander haben.«
»Nein, aber das brauchst du nicht, wenn du einen biometrischen Zugang und Fenster mit kugelsicheren Scheiben hast.« Er hielt inne, blickte auf ihre Lippen und Abbie lächelte ihn an. »Was hast du ihnen gesagt?«
»Selbstverständlich habe ich ihnen gesagt, dass Onkel Ed zu Besuch wäre.«
Sie rieb über seinen Bizeps und grinste ihn an, aber er brach nicht.
»Komm schon, Süßer. Es tut mir leid, okay? Es tut mir leid. Ich habe dir einen Blaubeeren-Plunder ...«
»Was ist ein Plunder?«
Sie schoss zur Box. »Es ist ein in Fett gebackenes Gebäck mit einer leichten Glasur. Siehst du?«
Er spähte hinein. »Blaubeere, hmh?«
»Ja, Blaubeere. Oder, falls du das nicht magst, habe ich auch roter Samtkuchen und Ahornsirup-Bourbon-Vanille.«
»Nichts anderes mit Obst?«
Sie schluckte schwer, kaschierte ihre Enttäuschung. »Doch, ich habe auch einen Apfel-Muffin. Du kannst den haben.« Sie reichte ihm die Box. »Willst du etwas Mandelmilch dazu? Ich habe keine Kuhmilch.«
»Sicher. Ich danke dir.« Sie goss sich etwas Kaffee ein und brachte beide Getränke mit sich an den Tisch herüber. »Das ist ziemlich gut«, sagte er, während er auf das Gebäck spähte, »aber es schmeckt ein wenig ... anders.«
»Tut es das? Hmm.« Das ist dann wohl der glutenfrei-Faktor, dachte sie. So sehr Celeste es auch versuchte und so köstlich er auch war, der Muffin ließ dich nie vergessen, dass er nicht mit Weizen gemacht war. Sie versteckte sich hinter ihrer Kaffeetasse und beabsichtigte die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken, als ihr Magen laut knurrte. Sein verwirrter Gesichtsausdruck klärte sich und er legte den Muffin auf den Tisch.
»Abelia.«
»Ja?«
»Nehme ich dein Frühstück zu mir?«
»Was? Nein. Selbstverständlich nicht.«
»Was hattest du dann zum Frühstück?«
»Ich hatte einen Muffin auf dem Spaziergang zurück.«
Er ignorierte ihre Lüge. »Warum gibst du mir das eine Ding, das du essen könntest?«
Sie seufzte. »Weil das Entschuldigungs-Donuts waren und du wolltest sie nicht akzeptieren, was bedeutete ...«
»Dass ich deine Entschuldigung nicht annehme?«
Sie nickte, während sie ihre Tasse umfasste. Er stand auf, nickte und wischte seine Hände an einer Stoffserviette vom Korb auf dem Tisch ab. Er ging in die Küche, öffnete Schränke und spähte auf die Regale, bis er fand, nach was er suchte: einen tiefen Stieltopf. Er füllte ihn mit Wasser und stellte ihn auf die vordere Platte, deren grüne Flamme durch sein Streichholz entfacht wurde.
»Was machst du da?«
»Ich mache dir Frühstück.«
»Oh, ich brauche wirklich nichts.«
»Unsinn.« Er zog die Eier aus dem Kühlschrank. »Und in Zukunft, auch wenn ich verärgert mit dir bin, bitte gib dein Essen nicht weg. Es ist ja nicht so, dass du eine Vielzahl an Optionen hast. Ich werde dich nicht deine Gesundheit um des Friedens zwischen uns willen opfern lassen.« Sie ließ ihn einen Spritzer Essig in den Topf geben, bevor sie hinter ihn trat und ihre Arme um seine Mitte schlang. Er legte eine Hand über die ihren.
»Liebling, ich habe nichts gegen Meinungsverschiedenheiten; allerdings habe ich etwas dagegen dafür ausgeschlossen zu werden, dass ich eine abweichende Meinung habe. Ich mag es nicht manipuliert zu werden.«
»Okay. Es tut mir leid.«
»Okay.«
Sie ließ los, als er sich bewegte, um zwei Teetassen zu holen, und beobachtete fasziniert, wie er ein Ei in jeder aufschlug und sie zusammen in das wirbelnde Wasser gab. »Vergib mir, Parker; was zur Jersey machst du mir?«
Er blickte gutmütig finster drein. »Ich mache Eier.«
»... hartgekochte Eier?«
»Nein, pochierte Eier. Hast du die nie probiert?«
»Ich schätze nein ...«
Er grinste sie an. »Meine Mutter hat sie immer gemacht, wenn die Belegschaft im Urlaub war. Ich denke, es war das einzige Frühstücksessen, von dem sie wusste, wie man es kocht, neben kaltem Müsli und Milch.«
»Na ja, deine zukünftige Ehefrau kann es besser.«
»Meine zukünftige Ehefrau hat’s drauf. Sozusagen.«
»Sozusagen.«
Abbie lehnte sich gegen die Theke, beobachtete ihn. »Was kannst du noch kochen?«
»Käse-Röstschnitte.«
»Was ist das?«
»Man schmilzt Käse zwischen zwei Stücken Brot in einer Pfanne mit Butter.«
»Oh, Käsetoast. Schon mal mit einer Essiggurke gehabt?«
»Woz bewahre mich.« Der Küchenwecker ging los und er nahm die Eier mit einem Schaumlöffel heraus und legte sie auf einen Teller. Abbie fand, dass er übertrieben stolz auf sich aussah, wenn man bedachte, dass er Eier in heißes Wasser getan hat, aber sie schätzte die Mühe trotzdem.
»Danke. Was noch?«
»Was ich noch kochen kann?«
»Ja. Auf welche kulinarischen Wonnen kann ich mich freuen, wenn die Belegschaft im Urlaub ist?«
Er kicherte, als sie sich zurück an den Tisch setzten. »Mal sehen. Zählt es eine Suppe aus der Dose aufzuwärmen?«
Sie gluckste, schüttelte ihren Kopf, als sie ihren ersten Bissen nahm, und griff nach dem Salz.
»Dann ist das alles. Pochierte Eier und Käse-Röstschnitten werden reichen müssen.«
»Wir können damit auskommen. Oh, und ich habe das Mittagessen heute abgedeckt. Ich habe gestern Abend imaharanisches Essen bestellt, als du deine Nachahmung eines toten Typen gemacht hast.«
Seine Augen leuchteten auf. »Das Querbeet?« Sie nickte. Parker stieß seine Faust triumphierend vor und zurück und es war sehr unköniglich, was Abbie ihn umso mehr lieben ließ. »Es ist sowieso besser am nächsten Tag.«
»Waldo hat mir gesagt, dass du es magst.«
»Woz segne diesen Mann.« Er nahm einen weiteren Bissen vom Muffin. »Ich muss übrigens um drei in der Luft sein.«
Abbie nickte langsam, zog ihre Lippen auf eine Seite und blickte nicht von ihrem Teller auf.
»Wir haben dennoch noch sieben Stunden.«
»Richtig.«
»Werde nicht griesgrämig mit mir.«
»Bin ich nicht.«
»Abbie ...« Er neigte seinen Kopf nach unten, um zu versuchen Augenkontakt mit ihr herzustellen, aber sie konnte seinem Blick nicht richtig begegnen.
»Bin ich wirklich nicht.«
»Du kannst mich nicht einmal ansehen!«
»Ich muss pinkeln.« Abbie schoss auf ihre Füße und ihr Stuhl kippte um. Parker sprang auf und blockierte ihren Weg zum Schlafzimmer und damit auch zum Badezimmer.
»Oh nein, musst du nicht. Ich bin dieser List auf der Spur.«
»Verzeihung«, murmelte sie und warf ihr Haar zurück. »Ich muss hier durch.«
»Nein, Liebling. Ich bin derjenige, der durchkommen muss, bei dir. Ich entschuldige mich, ich hätte das nicht sagen sollen; es ist absolut natürlich traurig darüber zu sein, dass ich gehe. Wirst du mir vergeben?«
Abbie öffnete ihren Mund, um wieder zu sagen, dass sie in Ordnung war, aber es kamen keine Worte heraus. Sie erlaubte es sich in Parkers starker Umarmung umfasst zu werden.
»Ich weine nicht.«
»Ich weiß, dass du das nicht tust.« Er strich über ihr Haar, während sie ihren Kopf an seiner Brust ruhen ließ und sein Hemd befeuchtete.
»Ich bin ein harter Typ, eine unabhängige Frau.«
»Das bist du, du bist ein total harter Typ.« Parker ihr Fluchen wiederholen zu hören brachte sie zum Lächeln.
»Ich brauche dich hier nicht. Ich kann voll auf mich selbst aufpassen.«
»Du bist eine völlige Nestorin.«
Sie hob ihren Kopf, um in seine Augen zu schauen. »Was ist das?«
»Ein Experte auf deinem Gebiet.«
»Oh, ja, ich bin eine völlige Nestorin.«
»Ich weiß, deshalb habe ich das gesagt.« Er hielt sie für ein paar Momente länger, bevor sie sich löste und ihre Tränen wegwischte.
»Ich musste wirklich pinkeln. Aber ich danke dir für die Umarmung und die Entschuldigung. Wenn ich zurückkomme, willst du Football anschauen und während der Werbung rummachen?«
Er schien dies zu bedenken. »Liege ich richtig zu denken, das rummachen knutschen ist?«
Sie nickte.
»In diesem Fall, unbedingt.«
KAPITEL FÜNF
SIE BESCHLOSS NICHT auf den Flugplatz zu gehen, entschied sich für ein privates Auf Wiedersehen in ihrem Apartment und einen Nachmittag des Putzens und Trübsal blasens. Sie las nicht für die Arbeit. Sie ließ das Footballspiel laufen und machte ein Nickerchen. Sie aß die Reste vom Martissant’s auf der Couch zum Abendessen, ging dann zum Lebensmittelladen. Dean folgte ihr dorthin und zurück.
»Ma’am, ich ermahne Sie die Bitte des Königs umzuziehen zu bedenken«, sagte er, als sie die Treppen wieder hochtrotteten. »Wir könnten Ihnen helfen eine geeignetere Unterkunft zu finden, hätten innerhalb von Stunden alles eingepackt und Sie hier draußen. Sie besitzen sehr wenig Habseligkeiten.« Sie hielt ihren Mund, bis sie die Tür aufschloss und sie beide hineinließ.
»Ich schätze Ihre Sorge, aber mir geht es gut hier.« Sie begann die Lebensmittel aufzuräumen.
»Richtig. Ich werde mich dann empfehlen.« Er stellte seine Taschen für sie auf der Theke ab.
»Dean, ich bin eine normale Person, keine Royale. Sie müssen sich nicht ›empfehlen‹. Sie finden einfach selbst hinaus.«
»Nur dass Sie Bescheid wissen, Ihr neues Sicherheitspersonal wird morgen früh ankommen.«
»Was?« Abbie schaute davon auf Romana-Salat in das Gemüsefach zu legen. »Da Sie mir das ganze Wochenende hinterhergezogen sind, habe ich angenommen, dass Sie meine neue Security wären.«
»Nein, Ma’am. Seine Majestät hat andere Pläne. Ich will jedoch hoffen, dass Sie in naher Zukunft nach Orangiers kommen?«
Sie hielt ihre Finger hoch, während sie die Eier wegräumte. »Zwei Wochen. Ich sehe Sie dann. Bier für den Weg?«
Er schaute sich um, als ob er beobachtet wurde, er ließ seinen Kopf hochschnellen und sie warf ihm eine Flasche zu. Er legte seine Finger auf seine Lippen und sie zwinkerte ihm zu. Der Sicherheitsbeauftragte schloss ihre Eingangstür hinter sich, rief dann: »Machen Sie bitte die Schlösser zu.«
Abbie rollte mit ihren Augen, querte zur Vordertür und legte den Riegel um.
»Und die Kette«, forderte die gedämpfte Stimme auf.
Abbie tat ihm den Gefallen, machte sich dann auf ins Badezimmer, um ihre Zähne zu putzen. Sie ging durch ihr Schlafzimmer und hielt überrascht an. Da waren jetzt zwei Betten in ihrem Schlafzimmer, ein neu montiertes Set eines Stockbetts blockierte das Fenster des winzigen Zimmers. Sie zog ihr Handy heraus und wählte.
»Hallo, Liebling.«
»Hör auf mit deinem ›Liebling‹. Warum sind da mehr Betten in meinem Haus? Du hast das gemacht, während ich im Laden war?«
»Die sind für deine Security; wir haben das besprochen.« Abbie konnte im Hintergrund andere Menschen und raschelnde Papiere und Wassergläser, die gefüllt wurden, hören. Er war in einer Besprechung. Sie störte. Gut.
»Äh, nein, Liebling, wir haben absolut nicht besprochen, dass ich mein Schlafzimmer mit Fremden teile, wie durchleuchtet sie auch immer von Dean, oder wem auch immer, sein mögen.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Warte mit deinem Urteil, bis du sie getroffen hast.«
»Kann ich nicht. Will ich nicht. Sie können auf dem Sofa schlafen.«
»Beide? Das wäre kuschelig.«
»Wir haben das neulich gemacht.«
»Ja, und es war sehr kuschelig ... angenehm kuschelig, aber nichtsdestotrotz kuschelig.«
»Sie können sich abwechseln. Ich brauche sowieso nicht zwei auf einmal hier. Diese Wohnung ist kaum groß genug für zwei Leute, die sich mögen, und ich will sie todsicher nicht in meinem Privatbereich.«
»Ich verspreche, dass sie deinen Freiraum respektieren werden.«
»Nein.«
»Achtundvierzig Stunden.«
Abbie schoss Luft aus ihrer Nase. »Nein.«
»Vierundzwanzig Stunden.«
»Wenn ich jetzt gerade Werkzeug hätte, wären die Betten bereits verschwunden. Ich wette, dass Davis einen Freund auf seiner Party hat, der sie für mich für zehn Mäuse abbauen würde. Hey, Davis?«
»Bleib dran; in Ordnung, gib mir hier eine Minute.« Sie hörte, wie er den Raum verließ und den Flur entlang ging. »Okay, ich bin wieder da. Ich habe dich verstanden, dass es eine Presspassung ist.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Ich habe dich verstanden, dass es eine Presspassung ist!« Er hielt inne. »Versuche nur dich zum Lachen zu bringen.«
Abbie sagte nichts.
»Schau, es ist spät. Ich kann sie heute Abend nicht entfernen lassen. Es würde verdächtig aussehen. Wer bewegt Stockbetten um halb neun abends?«
»Menschen, die arbeiten!« Sie schrie jetzt. »Und drei Leute in meinem Apartment verletzt meinen Mietvertrag! Wenn sie sehen, dass zwei Leute mehr hier leben, werde ich in großen Schwierigkeiten sein!«
»Okay. Ich werde ein Bett herausnehmen und wir gehen nach dem Prinzip der warmen Kajüte. Abgemacht?« Sie hörte ihn gähnen und erinnerte sich daran, dass es dort drei Stunden später war.
»Schön! Warum bist du noch in Besprechungen?« Sie schrie immer noch.
»Abbie?« Seine Stimme war sanft, schläfrig. »Ich vermisse dich ...«
»Ich vermisse dich auch!«, rief sie. »Jetzt mach Schluss und geh ins Bett!«
––––––––
ABBIE WAR AM NÄCHSTEN Morgen in der Kutsche, bevor sie realisierte, dass die neuen Security-Typen niemals aufgetaucht waren. Na ja, es konnte nicht von ihr erwartet werden, dass sie den ganzen Morgen wartete; sie würden sich einfach heute Abend treffen müssen. Ihre Meinung von ihnen fiel jedoch mit jeder Minute. Abbie ging in die Arbeit und hatte gerade die Kaffeemaschine in ihrem Büro gestartet, als sie ein Klopfen hörte. Eine junge Frau mit weißblondem Haar und einer tiefen Bräune stand dort. Sie sah nicht so aus, als ob sie viel Zeit unter der Erde verbrachte; allein ihre Haut verriet sie als neue Angestellte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Abbie und gab Gleichgültigkeit als Machtdemonstration vor.
»Ja, Ms. Anderson. Ich bin Ihre neue Assistentin, Georgina Addington. Man nennt mich Georgie.«
Abbie schüttelte ihren Kopf, Augen auf ihrem Papierkram. »Ich habe keinen Nutzen für eine Assistentin; mein Terminplan ist unkompliziert. Ich geh an mein eigenes Telefon und ich nutze den Sekretariats-Pool, wenn ich etwas getippt brauche, oder mache es selbst.«
»Ich bin nicht diese Art von Assistentin, Ma’am.«
Eine Welle des Verständnisses überschwemmte Abbie und sie schloss ihre Augen. »Kommen Sie bitte herein und schließen die Tür.« Sie bedeutete der jungen Frau sich zu setzen und inspizierte sie. »Bitte sagen Sie, wie hat er das geschaukelt?«
»Unser gemeinsamer Freund übt beträchtlichen Einfluss aus, sogar hier.« Georgie, wenn das ihr echter Name war, hörte sich gardenisch an, nicht orangiersisch. Abbie nahm an, dass es nicht unvernünftig war ihre Referenzen zu überprüfen, wenn sie ihr Leben in die Hände dieser Frau legte.
»Woher kommen Sie?«
Die Frau schenkte ihr ein wissendes Lächeln. »Ich bin selbstverständlich aus Gardenia. Genau wie Sie, Ma’am.« Abbie hatte hart daran gearbeitet ihren Akzent in die Gemeine Sprache abzuschwächen, als sie auf der Straße gelebt hatte. Es war nett zu sehen, dass die Frau sich ihrer Rolle hingab. »Ich werde über den Tag bei Ihnen sein, Sie nach Hause bringen und dann übernimmt Tezza Macias, Ihre neue Mitbewohnerin, die Nachtschicht.«
»Er kennt mich zu gut«, murmelte sie.
»Verzeihung?«
Abbie hob ihren Kopf und blitzte Georgie an, da Parker nicht verfügbar war. »Unser gemeinsamer Freund. Er kennt mich zu gut. Er weiß, dass ich eher einer Frau gehorche als einem Mann.«
»Das kann ich Ihnen nicht verdenken, Ma’am. Seien Sie versichert, dass ich zwar nicht die physische Statur von Dean oder Waldo habe, aber ich bin eine Expertin in Kampfsport, Entdeckung von Bedrohungen und verzauberter Abschirmung. Ich kann und werde Sie beschützen.«
Abbie winkte ihr flapsig mit einer Hand zu. »Wäre ich in irgendeiner Gefahr, wäre das eine große Beruhigung.«
Georgies höfliche äußerliche Erscheinung entglitt ihr. »Warum glauben Sie, dass Sie es nicht sind? Ich habe die Morddrohungen gesehen, Ma’am.«
»Lassen Sie uns ein anderes Mal darüber sprechen«, sagte Abbie, während sie auf die geschlossene Tür blickte. »Wo ist Ihr Büro?«
»Genau gegenüber auf dem Flur. Wenn es Ihnen nichts ausmachen würde Ihre Tür offen zu lassen, wäre das hilfreich für mich. Außerdem tun Sie sich keinen Zwang an und geben mir tatsächliche Sekretariatsarbeit zu erledigen. Ganz so, als ob man mit einem schlechten Liebhaber ins Bett geht, kann ich es nur für eine bestimmte Zeit vortäuschen.«
Abbie schmunzelte. Der Rest des Morgens ging zügig vorbei; sie war von ihrer Reise durch den Schleier und davon die Angelegenheiten ihres Vaters abzuschließen noch immer hinterher, also hatte sie reichlich auf der Arbeit zu tun. Abbie erwartete sich beobachtet zu fühlen, aber jedes Mal, wenn sie aufschaute, schien Georgie ebenso beschäftigt wie sie. Parker schrieb ihr um die Mittagszeit herum.
Parker: Also?
Abbie: Also ... was?
Parker: Also, wie findest du Georgie? Sie hat diesen Akzent nur für diesen Auftrag gelernt.
Abbie: Soll ich davon beeindruckt sein?
Abbie: Weil irgendwie bin ich das.
Parker: So viel habe ich erwartet. #kinging
Abbie: Hör auf dich so hämisch zu freuen. Wie läuft dein Tag?
Parker: Geschäftig. Liebe dich.
Abbie: Liebe dich auch, Schätzchen.
––––––––
WENN GEORGIE DAS LICHT war, war Tezza die Dunkelheit. Sie gab Abbie einen professionellen Handschlag, aber ihr Gesichtsausdruck war verschlossen. Sie war komplett in schwarzer figurbetonter Kleidung gekleidet. Ihr dunkles Haar war in einen hohen Dutt gedreht, aber es war offensichtlich ziemlich lang, wenn man es entfaltete. Sie hatte einen breiten Stand, ihre Hände waren hinter ihrem Rücken verschränkt, so als ob Abbie ein Militär war, der sie inspizierte.
»Woher kommen Sie?«
»Op’Ho’Lonia.«
»Oh, wirklich? Ich bin nie dort gewesen. Wie ist es so?«
»Humid.«
Sie starrten einander an, während Abbie versuchte sich mehr Fragen auszudenken. Ihr Gehirn war nach einem langen Tag müde.
»Haben Sie zu Abend gegessen?«
»Ja.«
»Gibt es irgendetwas, dass ich Ihnen besorgen sollte, so dass sie es hier gemütlicher haben?«
»Nein.«
Sie versuchte sich eine Frage auszudenken, die mehr als eine Ein-Wort-Antwort erlangen würde.
»Wie viel Erfahrung haben Sie in dieser Branche?«
Tezza verschränkte ihre Arme. »Reichlich.«
Abbie gab auf. »Okay, großartig, na ja, willkommen an Bord, sozusagen. Lassen Sie mich wissen, falls es irgendwelche Themen während der Nacht gibt. Ich ... hänge einfach ... hier rum.«
Junge, dieses Mädel ging einem auf die Nerven. Tezza nickte einmal, drehte sich dann um und verschwand im Schlafzimmer, während Abbie Abendessen kochte und aß. Sie ahnte irgendwie, als Abbie bereit war ins Bett zu gehen und kam mit einem Buch in der Hand heraus, schaute dabei nicht auf. Sie legte den Schinken auf die Couch, als sie sich zur Eingangstür bewegte.