Книга Die Elixiere des Teufels / Эликсир дьявола. Книга для чтения на немецком языке - читать онлайн бесплатно, автор Эрнст Теодор Амадей Гофман. Cтраница 7
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Die Elixiere des Teufels / Эликсир дьявола. Книга для чтения на немецком языке
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Die Elixiere des Teufels / Эликсир дьявола. Книга для чтения на немецком языке

Selbst darin, dass sie von mir verfaßte Gebete nachsprechen sollte, glaubte ich Vorteile für meine verräterische Absichten zu finden.

Es war dem so!

Denn neben mir knieend, mit zum Himmel gewandtem Blick meine Gebete nachsprechend, färbten höher sich ihre Wangen, und ihr Busen wallte auf und nieder.[125]

Da nahm ich wie im Eifer des Gebets ihre Hände und drückte sie an meine Brust, ich war ihr so nahe, dass ich die Wärme ihres Körpers fühlte, ihre losgelösten Locken hingen über meine Schulter; ich war außer mir vor rasender Begierde, ich umschlang sie mit wildem Verlangen, schon brannten meine Küsse auf ihrem Munde, auf ihrem Busen, da wand sie sich mit einem durchdringenden Schrei aus meinen Armen; ich hatte nicht Kraft, sie zu halten, es war, als strahle ein Blitz herab, mich zerschmetternd!

Sie entfloh rasch in das Nebenzimmer, die Türe öffnete sich, und Hermogen zeigte sich in derselben, er blieb stehen, mich mit dem furchtbaren, entsetzlichen Blick des wilden Wahnsinns anstarrend. Da raffte ich alle meine Kraft zusammen, ich trat keck auf ihn zu und rief mit trotziger gebietender Stimme: „Was willst du hier? Hebe dich weg, Wahnsinniger!“ Aber Hermogen streckte mir die rechte Hand entgegen und sprach dumpf und schaurig: „Ich wollte mit dir kämpfen, aber ich habe kein Schwert, und du bist der Mord, denn Blutstropfen quillen aus deinen Augen und kleben in deinem Barte!“

Er verschwand, die Türe heftig zuschlagend, und ließ mich allein, knirschend vor Wut über mich selbst, der ich mich hatte hinreißen lassen von der Gewalt des Moments, so dass nun der Verrat mir Verderben drohte. Niemand ließ sich sehen, ich hatte Zeit genug, mich ganz zu ermannen, und der mir inwohnende Geist gab mir bald die Anschläge ein, jeder üblen Folge des bösen Beginnens auszuweichen.

Sobald es tunlich war, eilte ich zu Euphemien, und mit keckem Übermut erzählte ich ihr die ganze Begebenheit mit Aurelien. Euphemie schien die Sache nicht so leicht zu nehmen, als ich es gewünscht hatte, und es war mir begreiflich, dass, ihrer gerühmten Geistesstärke, ihrer hohen Ansicht der Dinge unerachtet, wohl kleinliche Eifersucht in ihr wohnen, sie aber überdem noch befürchten könne, dass Aurelie über mich klagen, so der Nimbus meiner Heiligkeit verlöschen und unser Geheimnis in Gefahr geraten werde; aus einer mir selbst unerklärlichen Scheu verschwieg ich Hermogens Hinzutreten und seine entsetzlichen, mich durchbohrenden Worte.

Euphemie hatte einige Minuten geschwiegen und schien, mich seltsamlich anstarrend, in tiefes Nachdenken versunken.

„Solltest du nicht, Viktorin,“ sprach sie endlich, „erraten, welche herrliche Gedanken, meines Geistes würdig, mich durchströmen?… Aber du kannst es nicht, doch rüttle frisch die Schwingen, um dem kühnen Fluge zu folgen, den ich zu beginnen bereit bin. Dass du, der du mit voller Herrschaft über alle Erscheinungen des Lebens schweben solltest, nicht neben einem leidlich schönen Mädchen knien kannst, ohne sie zu umarmen und zu küssen, nimmt mich wunder, so wenig ich dir das Verlangen verarge, das in dir aufstieg. So wie ich Aurelien kenne, wird sie voller Scham über die Begebenheit schweigen und sich höchstens nur unter irgend einem Vorwande deinem zu leidenschaftlichen Unterrichte entziehen. Ich befürchte daher nicht im mindesten die verdrießlichen Folgen, die dein Leichtsinn, deine ungezähmte Begierde hätte herbeiführen können.

Ich hasse sie nicht, diese Aurelie, aber ihre Anspruchlosigkeit, ihr stilles Frommtun, hinter dem sich ein unleidlicher Stolz versteckt, ärgert mich. Nie habe ich, unerachtet ich es nicht verschmähte, mit ihr zu spielen, ihr Zutrauen gewinnen können, sie blieb scheu und verschlossen. Diese Abgeneigtheit, sich mir zu schmiegen, ja diese stolze Art, mir auszuweichen, erregt in mir die widrigsten Gefühle.

Es ist ein sublimer Gedanke, die Blume, die auf den Prunk ihrer glänzenden Farben so stolz tut, gebrochen und dahin welken zu sehen!

Ich gönne es dir, diesen sublimen Gedanken auszuführen, und es soll nicht an Mitteln fehlen, den Zweck leicht und sicher zu erreichen.

Auf Hermogens Haupt soll die Schuld fallen und ihn vernichten!“

Euphemie sprach noch mehr über ihren Plan und wurde mir mit jedem Worte verhaßter, denn nur das gemeine verbrecherische Weib sah ich in ihr, und so sehr ich nach Aureliens Verderben dürstete, da ich nur dadurch Befreiung von der grenzenlosen Qual wahnsinniger Liebe, die meine Brust zerfleischte, hoffen konnte, so war mir doch Euphemiens Mitwirkung verächtlich. Ich wies daher zu ihrem nicht geringen Erstaunen ihren Anschlag von der Hand, indem ich im Innern fest entschlossen war, das durch eigne Macht zu vollführen, wozu Euphemie mir ihre Beihilfe aufdringen wollte.

So wie die Baronesse es vermutet, blieb Aurelie in ihrem Zimmer, sich mit einer Unpäßlichkeit entschuldigend und so sich meinem Unterricht für die nächsten Tage entziehend. Hermogen war wider seine Gewohnheit jetzt viel in der Gesellschaft Reinholds und des Barons, er schien weniger in sich gekehrt, aber wilder, zorniger. Man hörte ihn oft laut und nachdrücklich sprechen, und ich bemerkte, dass er mich mit Blicken des verhaltenen Grimms ansah, so oft der Zufall mich ihm in den Weg führte; das Betragen des Barons und Reinholds veränderte sich in einigen Tagen auf ganz seltsame Weise. Ohne im Äußerlichen im mindesten von der Aufmerksamkeit und Hochachtung, die sie mir sonst bezeigt, nachzulassen, schien es, als wenn sie, gedrückt von einem wunderbaren ahnenden Gefühl, nicht jenen gemütlichen Ton finden konnten, der sonst unsre Unterhaltung belebte. Alles, was sie mit mir sprachen, war so gezwungen, so frostig, dass ich mich ernstlich mühen mußte, von allerlei Vermutungen ergriffen, wenigstens unbefangen zu scheinen.

Euphemiens Blicke, die ich immer richtig zu deuten wußte, sagten mir, dass irgend etwas vorgegangen, wovon sie sich besonders aufgeregt fühlte, doch war es den ganzen Tag unmöglich, uns unbemerkt zu sprechen.

In tiefer Nacht, als alles im Schlosse längst schlief, öffnete sich eine Tapetentüre in meinem Zimmer, die ich selbst noch nicht bemerkt, und Euphemie trat herein mit einem zerstörten Wesen, wie ich sie noch niemals gesehen. „Viktorin,“ sprach sie, „es droht uns Verrat, Hermogen, der wahnsinnige Hermogen ist es, der, durch seltsame Ahnungen auf die Spur geleitet, unser Geheimnis entdeckt hat. In allerlei Andeutungen, die gleich schauerlichen entsetzlichen Sprüchen einer dunklen Macht, die über uns waltet, lauten, hat er dem Baron einen Verdacht eingeflößt, der, ohne deutlich ausgesprochen zu sein, mich doch auf quälende Weise verfolgt.

Wer du bist, dass unter diesem heiligen Kleide Graf Viktorin verborgen, das scheint Hermogen durchaus verschlossen geblieben; dagegen behauptet er, aller Verrat, alle Arglist, alles Verderben, das über uns einbrechen werde, ruhe in dir, ja wie der Widersacher selbst sei der Mönch in das Haus getreten, der, von teuflischer Macht beseelt, verdammten Verrat brüte.

Es kann so nicht bleiben, ich bin es müde, diesen Zwang zu tragen, den mir der kindische Alte auferlegt, der nun mit kränkelnder Eifersucht, wie es scheint, ängstlich meine Schritte bewachen wird. Ich will dies Spielzeug, das mir langweilig worden, wegwerfen, und du, Viktorin, wirst dich um so williger meinem Begehren fügen, als du auf einmal selbst der Gefahr entgehst, endlich ertappt zu werden und so das geniale Verhältnis, das unser Geist ausbrütete, in eine gemeine verbrauchte Mummerei, in eine abgeschmackte Ehestandsgeschichte herabsinken zu sehen!

Der lästige Alte muß fort, und wie das am besten ins Werk zu richten ist, darüber laß uns zu Rate gehen, höre aber erst meine Meinung. Du weißt, dass der Baron jeden Morgen, wenn Reinhold beschäftigt, allein hinausgeht in das Gebirge, um sich an den Gegenden nach seiner Art zu erlaben… Schleiche dich früher hinaus und suche ihm am Ausgange des Parks zu begegnen. Nicht weit von hier gibt es eine wilde schauerliche Felsengruppe; wenn man sie erstiegen, gähnt dem Wandrer auf der einen Seite ein schwarzer bodenloser Abgrund entgegen, dort ist, oben über den Abgrund herüberragend, der sogenannte Teufelssitz. Man fabelt, dass giftige Dünste aus dem Abgrunde steigen, die den, der vermessen hinabschaut, um zu erforschen, was drunten verborgen, betäuben und rettungslos in den Tod hinabziehen. Der Baron, dieses Märchen verlachend, stand schon oft auf jenem Felsstück über dem Abgrund, um die Aussicht, die sich dort öffnet, zu genießen. Es wird leicht sein, ihn selbst darauf zu bringen, dass er dich an die gefährliche Stelle führt; steht er nun dort und starrt in die Gegend hinein, so erlöst uns ein kräftiger Stoß deiner Faust auf immer von dem ohnmächtigen Narren.“

„Nein, nimmermehr,“ schrie ich heftig, „ich kenne den entsetzlichen Abgrund, ich kenne den Sitz des Teufels, nimmermehr! Fort mit dir und dem Frevel, den du mir zumutest!“ Da sprang Euphemie auf, wilde Glut entflammte ihren Blick, ihr Gesicht war verzerrt von der wütenden Leidenschaft, die in ihr tobte. „Elender Schwächling,“ rief sie, „du wagst es in dumpfer Feigheit, dem zu widerstreben, was ich beschloß? Du willst dich lieber dem schmachvollen Joche schmiegen, als mit mir herrschen? Aber du bist in meiner Hand, vergebens entwindest du dich der Macht, die dich gefesselt hält zu meinen Füßen!.. Du vollziehst meinen Auftrag, morgen darf der, dessen Anblick mich peinigt, nicht mehr leben!“

Indem Euphemie die Worte sprach, durchdrang mich die tiefste Verachtung ihrer armseligen Prahlerei, und im bittern Hohn lachte ich ihr gellend entgegen, dass sie erbebte und die Totenblässe der Angst und des tiefen Grauens ihr Gesicht überflog „Wahnsinnige,“ rief ich, „die du glaubst über das Leben zu herrschen, die du glaubst, mit seinen Erscheinungen zu spielen, habe acht, dass dies Spielzeug nicht in deiner Hand zur schneidenden Waffe wird, die dich tötet! Wisse, Elende, dass ich, den du in deinem ohnmächtigen Wahn zu beherrschen glaubst, dich wie das Verhängnis selbst in meiner Macht festgekettet halte, dein frevelhaftes Spiel ist nur das krampfhafte Winden des gefesselten Raubtiers im Käfig!.. Wisse, Elende, dass dein Buhle[126] zerschmettert in jenem Abgrunde liegt und dass du statt seiner den Geist der Rache selbst umarmtest!.. Geh und verzweifle!“

Euphemie wankte: im konvulsivischen Erbeben war sie im Begriff, zu Boden zu sinken, ich faßte sie und drückte sie durch die Tapetentüre den Gang hinab.

Der Gedanke stieg in mir darf, sie zu töten, ich unterließ es, ohne mich dessen bewußt zu sein, denn im ersten Augenblick, als ich die Tapetentüre schloß, glaubte ich die Tat vollbracht zu haben!

Ich hörte einen durchdringenden Schrei und Türen zuschlagen.

Jetzt hatte ich mich selbst auf einen Standpunkt gestellt, der mich dem gewöhnlichen menschlichen Tun ganz entrückte; jetzt mußte Schlag auf Schlag folgen, und, mich selbst als den bösen Geist der Rache verkündend, mußte ich das Ungeheuere vollbringen.

Euphemiens Untergang war beschlossen, und der glühendste Haß sollte, mit der höchsten Inbrunst der Liebe sich vermählend, mir den Genuß gewähren, der nun noch dem übermenschlichen, mir inwohnenden Geiste würdig.

In dem Augenblick, dass Euphemie untergegangen, sollte Aurelie mein werden.

Ich erstaunte über Euphemiens innere Kraft, die es ihr möglich machte, den andern Tag unbefangen und heiter zu scheinen. Sie sprach selbst darüber, dass sie vorige Nacht in eine Art Somnambulismus geraten und dann heftig an Krämpfen gelitten, der Baron schien sehr teilnehmend, Reinholds Blicke waren zweifelhaft und mißtrauisch. Aurelie blieb auf ihrem Zimmer, und je weniger es mir gelang, sie zu sehen, desto rasender tobte die Wut in meinem Innern. Euphemie lud mich ein, auf bekanntem Wege in ihr Zimmer zu schleichen, wenn alles im Schlosse ruhig geworden.

Mit Entzücken vernahm ich das, denn der Augenblick der Erfüllung ihres bösen Verhängnisses war gekommen.

Ein kleines spitzes Messer, das ich schon von Jugend auf bei mir trug, und mit dem ich geschickt in Holz zu schneiden wußte, verbarg ich in meiner Kutte, und so zum Morde entschlossen, ging ich zu ihr. „Ich glaube,“ fing sie an, „wir haben beide gestern schwere ängstliche Träume gehabt, es kam viel von Abgründen darin vor, doch das ist nun vorbei!“

Sie gab sich darauf wie gewöhnlich meinen frevelnden Liebkosungen hin, ich war erfüllt von entsetzlichem teuflischen Hohn, indem ich nur die Lust empfand, die mir der Mißbrauch ihrer eignen Schändlichkeit erregte. Als sie in meinen Armen lag, entfiel mir das Messer, sie schauerte zusammen, wie von Todesangst ergriffen, ich hob das Messer rasch auf, den Mord noch verschiebend, der mir selbst andere Waffen in die Hände gab.

Euphemie hatte italienischen Wein und eingemachte Früchte[127] auf den Tisch stellen lassen.

„Wie so ganz plump und verbraucht“, dachte ich, verwechselte geschickt die Gläser und genoß nur scheinbar die mir dargebotenen Früchte, die ich in meinen weiten Ärmel fallen ließ. Ich hatte zwei, drei Gläser von dem Wein, aber aus dem Glase, das Euphemie für sich hingestellt, getrunken, als sie vorgab, Geräusch im Schlosse zu hören, und mich bat, sie schnell zu verlassen.

Nach ihrer Absicht sollte ich auf meinem Zimmer enden! Ich schlich durch die langen, schwach erhellten Korridore, ich kam bei Aureliens Zimmer vorüber, wie festgebannt blieb ich stehen.

Ich sah sie, es war, als schwebe sie daher, mich voll Liebe anblickend, wie in jener Vision, und mir winkend, dass ich ihr folgen sollte.

Die Türe wich durch den Druck meiner Hand, ich stand im Zimmer, nur angelehnt war die Türe des Kabinetts, eine schwüle Luft wallte mir entgegen, meine Liebesglut stärker entzündend, mich betäubend; kaum konnte ich atmen.

Aus dem Kabinett quollen die tiefen angstvollen Seufzer der vielleicht von Verrat und Mord Träumenden, ich hörte sie im Schlafe beten!

„Zur Tat, zur Tat, was zauderst du, der Augenblick entflieht“[128], so trieb mich die unbekannte Macht in meinem Innern.

Schon hatte ich einen Schritt ins Kabinett getan, da schrie es hinter mir: „Verruchter, Mordbruder! Nun gehörst du mein!“ und ich fühlte mich mit Riesenkraft von hinten festgepackt.

Es war Hermogen, ich wand mich, alle meine Stärke aufbietend, endlich von ihm los und wollte mich fortdrängen, aber von neuem packte er mich hinterwärts und zerfleischte meinen Nacken mit wütenden Bissen!

Vergebens rang ich, unsinnig vor Schmerz und Wut, lange mit ihm, endlich zwang ihn ein kräftiger Stoß, von mir abzulassen, und als er von neuem über mich herfiel, da zog ich mein Messer; zwei Stiche, und er sank röchelnd zu Boden, dass es dumpf im Korridor widerhallte.

Bis heraus aus dem Zimmer hatten wir uns gedrängt im Kampfe der Verzweiflung.

Sowie Hermogen gefallen, rannte ich in wilder Wut die Treppe herab, da riefen gellende Stimmen durch das ganze Schloß: „Mord! Mord!“

Lichter schweiften hin und her, und die Tritte der Herbeieilenden schallten durch die langen Gänge, die Angst verwirrte mich, ich war auf entlegene Seitentreppen geraten.

Immer lauter, immer heller wurde es im Schlosse, immer näher und näher erscholl es gräßlich: „Mord, Mord!“ Ich unterschied die Stimme des Barons und Reinholds, welche heftig mit den Bedienten sprachen.

Wohin fliehen, wohin mich verbergen?

Noch vor wenigen Augenblicken, als ich Euphemien mit demselben Messer ermorden wollte, mit dem ich den wahnsinnigen Hermogen tötete, war es mir, als könne ich, mit dem blutigen Mordinstrument in der Hand, vertrauend auf meine Macht, keck hinaustreten, da keiner, von scheuer Furcht ergriffen, es wagen würde, mich aufzuhalten; jetzt war ich selbst von tödlicher Angst befangen. Endlich, endlich war ich auf der Haupttreppe, der Tumult hatte sich nach den Zimmern der Baronesse gezogen, es wurde ruhiger, in drei gewaltigen Sprüngen war ich hinab, nur noch wenige Schritte vom Portal entfernt. Da gellte ein durchdringender Schrei durch die Gänge, dem ähnlich, den ich in voriger Nacht gehört.

„Sie ist tot, gemordet durch das Gift, das sie mir bereitet“, sprach ich dumpf in mich hinein. Aber nun strömte es wieder hell aus Euphemiens Zimmern. Aurelie schrie angstvoll um Hilfe. Aufs neue erscholl es gräßlich: „Mord, Mord!“

Sie brachten Hermogens Leichnam!

„Eilt nach dem Mörder“, hört’ ich Reinhold rufen. Da lachte ich grimmig auf, dass es durch den Saal, durch die Gänge dröhnte, und rief mit schrecklicher Stimme: „Wahnwitzige, wollt ihr das Verhängnis fahen, das die frevelnden Sünder gerichtet?“

Sie horchten auf, der Zug blieb wie festgebannt auf der Treppe stehen.

Nicht fliehen wollt’ ich mehr,… ja ihnen entgegenschreiten, die Rache Gottes an den Frevlern in donnernden Worten verkündend. Aber… des gräßlichen Anblicks!.. vor mir!.. vor mir stand Viktorins blutige Gestalt, nicht ich, er hatte die Worte gesprochen.

Das Entsetzen sträubte mein Haar, ich stürzte in wahnsinniger Angst heraus, durch den Park!.. Bald war ich im Freien, da hörte ich Pferdegetrappel hinter mir, und indem ich meine letzte Kraft zusammennahm, um der Verfolgung zu entgehen, fiel ich, über eine Baumwurzel strauchelnd, zu Boden. Bald standen die Pferde bei mir. Es war Viktorins Jäger. „Um Jesus willen, gnädiger Herr,“ fing er an, „was ist im Schlosse vorgefallen, man schreit Mord! Schon ist das Dorf im Aufruhr.[129]

Nun, was es auch sein mag, ein guter Geist hat es mir eingegeben, aufzupacken und aus dem Städtchen hieher zu reiten; es ist alles im Felleisen[130] auf Ihrem Pferde, gnädiger Herr, denn wir werden uns doch wohl trennen müssen vorderhand, es ist gewiß recht was Gefährliches geschehen, nicht wahr?“

Ich raffte mich auf, und mich aufs Pferd schwingend, bedeutete ich den Jäger, in das Städtchen zurückzureiten und dort meine Befehle zu erwarten. Sobald er sich in der Finsternis entfernt hatte, stieg ich wieder vom Pferde und leitete es behutsam in den dicken Tannenwald hinein, der sich vor mir ausbreitete.

Dritter Abschnitt

Die Abenteuer der Reise

Als die ersten Strahlen der Sonne durch den finstern Tannenwald brachen, befand ich mich an einem frisch und hell über glatte Kieselsteine dahinströmenden Bach. Das Pferd, welches ich mühsam durch das Dickicht geleitet, stand ruhig neben mir, und ich hatte nichts Angelegentlicheres zu tun, als das Felleisen, womit es bepackt war, zu untersuchen.

Wäsche, Kleidungsstücke, ein mit Gold wohlgefüllter Beutel fielen mir in die Hände.

Ich beschloß, mich sogleich umzukleiden; mit Hilfe der kleinen Schere und des Kamms, den ich in einem Besteck gefunden, verschnitt ich den Bart und brachte die Haare, so gut es gehen wollte, in Ordnung. Ich warf die Kutte ab, in welcher ich noch das kleine verhängnisvolle Messer, Viktorins Portefeuille, sowie die Korbflasche mit dem Rest des Teufelselixiers vorfand, und bald stand ich da, in weltlicher Kleidung mit der Reisemütze auf dem Kopf, so dass ich michselbst, als mir der Bach mein Bild heraufspiegelte, kaum wieder erkannte. Bald war ich am Ausgange des Waldes, und der in der Ferne aufsteigende Dampf, sowie das helle Glockengeläute, das zu mir herübertönte, ließen mich ein Dorf in der Nähe vermuten. Kaum hatte ich die Anhöhe vor mir erreicht, als ein freundliches schönes Tal sich öffnete, in dem ein großes Dorf lag. Ich schlug den breiten Weg ein, der sich hinabschlängelte, und sobald der Abhang weniger steil wurde, schwang ich mich aufs Pferd, um soviel möglich mich an das mir ganz fremde Reiten zu gewöhnen.[131]

Die Kutte hatte ich in einen hohlen Baum verborgen und mit ihr all die feindseligen Erscheinungen auf dem Schlosse in dem finstern Wald gebannt; denn ich fühlte mich froh und mutig, und es war mir, als habe nur meine überreizte Phantasie mir Viktorins blutige gräßliche Gestalt gezeigt und als wären die letzten Worte, die ich den mich Verfolgenden entgegenrief, wie in hoher Begeisterung unbewußt aus meinem Innern hervorgegangen und hätten die wahre geheime Beziehung des Zufalls, der mich auf das Schloß brachte und das, was ich dort begann, herbeiführte, deutlich ausgesprochen.

Wie das waltende Verhängnis selbst trat ich ein, den boshaften Frevel strafend und den Sünder in dem ihm bereiteten Untergange entsündigend. Nur Aureliens holdes Bild lebte noch wie sonst in mir, und ich konnte nicht an sie denken, ohne meine Brust beengt, ja physisch einen nagenden Schmerz in meinem Innern zu fühlen.[132]

Doch war es mir, als müsse ich sie vielleicht in fernen Landen Wiedersehen, ja, als müsse sie, wie von unwiderstehlichem Drange hingerissen, von unauflöslichen Banden an mich gekettet, mein werden.

Ich bemerkte, dass die Leute, welche mir begegneten, still standen und mir verwundert nachsahen, ja dass der Wirt im Dorfe vor Erstaunen über meinen Anblick kaum Worte finden konnte, welches mich nicht wenig ängstigte. Während dass ich mein Frühstück verzehrte und mein Pferd gefüttert wurde, versammelten sich mehrere Bauern in der Wirtsstube, die, mit scheuen Blicken mich anschielend, miteinander flüsterten.

Immer mehr drängte sich das Volk zu, und mich dicht umringend, gafften sie mich an mit dummem Erstaunen. Ich bemühte mich, ruhig und unbefangen zu bleiben, und rief mit lauter Stimme den Wirt, dem ich befahl, mein Pferd satteln und das Felleisen aufpacken zu lassen. Er ging, zweideutig lächelnd, hinaus und kam bald darauf mit einem langen Mann zurück, der mit finstrer Amtsmiene und komischer Gravität auf mich zuschritt. Er faßte mich scharf ins Auge, ich erwiderte den Blick, indem ich aufstand und mich dicht vor ihn stellte. Das schien ihn etwas außer Fassung zu setzen,[133] indem er sich scheu nach den versammelten Bauern umsah. „Nun, was ist es,“ rief ich, „Ihr[134] scheint mir etwas sagen zu wollen.“ Da räusperte sich der ernsthafte Mann und sprach, indem er sich bemühte, in den Ton seiner Stimme recht viel Gewichtiges zu legen: „Herr! Ihr kommt nicht eher von hinnen, bis Ihr Uns, dem Richter hier am Orte, umständlich gesagt, wer Ihr seid, mit allen Qualitäten, was Geburt, Stand und Würde anbelangt, auch woher Ihr gekommen und wohin Ihr zu reisen gedenkt, nach allen Qualitäten der Lage des Ortes, des Namens, Provinz und Stadt und was weiter zu bemerken, und über das alles müßt Ihr Uns, dem Richter, einen Paß vorzeigen, geschrieben und unterschieben, untersiegelt nach allen Qualitäten, wie es recht ist und gebräuchlich!“

Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, dass es nötig sei, irgend einen Namen anzunehmen, und noch weniger war mir eingefallen, dass das Sonderbare, Fremde meines Äußern… welches durch die Kleidung, der sich mein mönchischer Anstand nicht fügen wollte, sowie durch die Spuren des übelverschnittenen Bartes erzeugt wurde… mich jeden Augenblick in die Verlegenheit setzen würde, über meine Person ausgeforscht zu werden. Die Frage des Dorfrichters kam mir daher so unerwartet, dass ich vergebens sann, ihm irgend eine befriedigende Antwort zu geben. Ich entschloß mich, zu versuchen, was entschiedene Keckheit bewirken würde, und sagte mit fester Stimme: „Wer ich bin, habe ich Ursache zu verschweigen, und deshalb trachtet Ihr vergeblich, meinen Paß zu sehen, übrigens hütet Euch, eine Person von Stande mit Eueren läppischen Weitläuftigkeiten nur einen Augenblick aufzuhalten.“

„Hoho!“ rief der Dorfrichter, indem er eine große Dose hervorzog, in die, als er schnupfte, fünf Hände der hinter ihm stehenden Gerichtsschöppen hineingriffen, gewaltige Prisen herausholend, „hoho, nur nicht so barsch, gnädigster Herr!.. Ihre Exzellenz wird sich gefallen lassen müssen, Uns, dem Richter, Rede zu stehen[135] und den Paß zu zeigen, denn, nun gerade herausgesagt, hier im Gebirge gibt es seit einiger Zeit allerlei verdächtige Gestalten, die dann und wann aus dem Walde gucken und wieder verschwinden wie der Gottseibeiuns[136] selbst, aber es ist verfluchtes Diebs- und Raubgesindel, die den Reisenden auflauern und allerlei Schaden anrichten durch Mord und Brand, und Ihr, mein gnädigster Herr, seht in der Tat so absonderlich aus, dass Ihr ganz dem Bilde ähnlich seid, das die hochlöbliche Landesregierung von einem großen Räuber und Hauptspitzbuben, geschrieben und beschrieben nach allen Qualitäten[137], an Uns, den Richter, geschickt hat. Also nur ohne alle weitere Umstände und zeremonische Worte den Paß, oder in den Turm![138]“

Ich sah, dass mit dem Mann so nichts auszurichten war, ich schickte mich daher an zu einem andern Versuch. „Gestrenger Herr Richter,“ sprach ich, „wenn Ihr mir die Gnade erzeigen wolltet, dass ich mit Euch allein sprechen dürfte, so wollte ich alle Eure Zweifel leicht aufklären und im Vertrauen auf Eure Klugheit Euch das Geheimnis offenbaren, das mich in dem Aufzuge, der Euch so auffallend dünkt, herführt.“

„Ha, ha! Geheimnisse offenbaren,“ sprach der Richter, „ich merke schon, was das sein wird; nun, geht nur hinaus, ihr Leute, bewacht die Türe und das Fenster und laßt niemanden hinein und heraus!“