Volker Fintelmann
Zufrieden alt werden
Von der Freiheit, alt sein zu dürfen
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Inhalt
Cover
Titel
Vorwort
Einstimmung
Anthropologie und Anthroposophie
Die Dreiheit
Entwicklung und Rhythmen
Freiheit
Persönliches
Der Lebenslauf
Die 3 x 3 + 1 Jahrsiebte
Die Entwicklung des Leibes (1. bis 3. Jahrsiebt)
Die Entwicklung der Seele (4. bis 6. Jahrsiebt)
Die Entwicklung des Geistes (7. bis 9./10. Jahrsiebt)
Die Jahrzehnte
Der Mondknoten-Rhythmus
Hemmende Kräfte im Lebenslauf
Das Alter
Der Traum von der ewigen Jugend
Wann beginnt das Alter?
Das 42. bis 49. Lebensjahr – Marszeit
Zeit der Einsamkeit
Zweifel und Mut
Verzweiflung
Von der Ich- zur Wir-Erfahrung
Das 49. bis 56. Lebensjahr – Jupiterzeit
Den Jüngeren Raum schaffen
Gelassenheit
Das 56. bis 63. Lebensjahr – Saturnzeit
Geistige Schaffenskraft
Weisheit
Das 63. bis 70. Lebensjahr – eine Oktave
Das Hohe Alter
Ein Geschenk
Für und Wider
Seeleneigenschaften im Hohen Alter
Frieden
Dankbarkeit
Wahrheit
Verständnis
Segnen
Liebe und Gnade
Krankheiten im Alter
Die Koronare Herzkrankheit (Herzsklerose)
Die Parkinson-Krankheit
Alzheimer-Demenz
Zwischengedanken
Osteoporose
Die Krebskrankheit
Krankheiten des Hohen Alters
Vom Sinnesleben im Alter
Die zwölf Sinne
Das Sehen im Alter
Die Weitsichtigkeit
Der Graue Star (Katarakt)
Der Grüne Star (Glaukom)
Makuladegeneration
Netzhautablösung
Das Hören im Alter
Die Schwerhörigkeit 143
Akuter Hörsturz
Ohrensausen (Tinnitus)
Schmecken und Riechen im Alter
Der Geschmackssinn
Der Geruchssinn
Die Leibessinne im Alter
Bewegungssinn und Gleichgewichtssinn
Lebenssinn und Tastsinn
Geistgerichtete Sinne im Alter
Wort- und Gedankensinn
Wärmesinn
Von der Pflege des Sinneslebens im Alter
Das Fernsehen
Üben der Sinnesfunktionen
Altersverwirrtheiten (Alterspsychosen)
Organische Ursachen
Starrsinn
Schwachsinn
Wahnsinn
Blödsinn
Lockerungszustände
Stadien der Lockerungszustände
Zusammenhang mit den Organen
Die Lunge
Die Leber
Die Nieren
Das Herz
Schicksalsmäßige (karmische) Ursachen
Das Doppelgängerphänomen
Altersveränderungen von Skelett und Stützgewebe
Arthrose
Degeneration der Bandscheiben
Hexenschuss (Lumbago)
Prävention
Sterben und Tod
Der plötzliche Tod
Der Alterstod
Der Zeitpunkt des Todes
Drei Krankheiten an der Schwelle zum Tod
Schenkelhalsfraktur
Lungenentzündung (Pneumonie)
Schlaganfall (Apoplexie)
Vom Leben nach dem Tod
Todeserlebnisse
Das nachtodliche Dasein
Beziehung zwischen Lebenden und Verstorbenen
Einige spezielle Themen
Ernährung
Verdauung
Qualität und Quantität
Ernährung im Alter
Die soziale Seite der Ernährung
Pflege von Leib, Seele und Geist
Pflege des Leibes
Ich-Leib
Seelenleib
Lebensleib
Stoff- oder physischer Leib
Pflege der Seele
Sympathie und Antipathie
Denken, Fühlen und Wollen
Pflege des Geistes
Liebe und Sexualität im Alter
»Richtig« alt sein
Danksagung
Anmerkungen
Literatur
Textnachweis
Bildnachweis
Der Autor
Impressum
Vorwort
das bleibend Junge ist der Geist
Alter ist ein Aspekt des Menschseins, der zwar einen Pol des Lebens darstellt im Gegenüber zur Kindheit, aber dennoch das ganze Leben von der Geburt bis zum Tod durchwirkt. Denn von Geburt an altert der Leib, und es sind nur die unfassbaren Kräfte der aus den Lebensvorgängen stammenden Regeneration, die ihn immer neu verjüngen – bis diese Kräfte sich allmählich erschöpfen und dann das Alter den Leib mehr und mehr prägt. Die Seele wird »alt« geboren, sie ist voller Erfahrungen vorausgehender Daseinsformen und – im Verständnis von Reinkarnation oder Wiederverkörperung – früherer Erdenleben. Sie kann, ja sollte sich im Leben jedoch verjüngen, je mehr sie sich im Älterwerden des Leibes dem Geist zuwendet. Denn das bleibend Junge in uns ist unser Geist, der uns zur Individualität macht, die einzigartig in dieser Schöpfung ist und auch ein Andauerndes, das ich auch Ewiges oder mit Aristoteles Entelechie nennen kann. Großartig, dass die moderne Medizin mit der Entdeckung und immer detaillierteren Beschreibung des Immunsystems im Rahmen einer Psycho-Neuro-Immunologie diese Einzigartigkeit jedes Menschen auf leiblich-seelischer Ebene erkannt hat. Leider wiederum zieht sie (noch) nicht die notwendige Konsequenz, ihr praktisches Handeln auf dieses Individuelle auszurichten. In ihrer dominierenden Wissenschaftsausrichtung einer Evidenz-basierten Medizin betrachtet sie den Menschen nur als Kollektiv und schafft einen Normmenschen, den es in der Wirklichkeit nicht gibt.
Gesetzmäßigkeiten des Alterns
Dieses Buch hat das Anliegen, aus meiner Sicht als etwa 60 Jahre lang praktizierender Arzt das Alter mit Blick auf die Individualität zu schildern, seine Gesetzmäßigkeiten anschaulich zu machen, die ich mit Goethe auch einen Typus nennen kann. Dabei soll immer bewusst gehalten werden, dass das Typische modifiziert wird durch das Individuelle. Doch muss der alles bestimmende, die Individualität prägende Geist, unser Ich, dafür die Gesetzmäßigkeiten des Alterns und des eigentlichen biografischen Alters kennen. Das Ich muss sich dieser Gesetzmäßigkeiten bewusst werden, um sie dann schöpferisch so einzusetzen, dass mit ihnen ein Lebensziel erreicht wird, das ich auch die Frucht des diesmaligen Lebens nennen kann. Diese Gesetzmäßigkeiten für Leib und Seele, ihre Handhabung und auch Pflege werden in allem Folgenden dargestellt, immer aus der persönlichen Sicht des Arztes und einer eigenen langen Lebenserfahrung.
lebensbegleitende Fragen
Das hiermit Angesprochene kann deutlich machen, dass die Inhalte des Buchs lebensbegleitend gemeint sind. Man kann nicht früh genug anfangen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch, um den anderen zu verstehen. Das wird treffend von einem spanischen Sprichwort ausgedrückt, dem ich vor mehr als 30 Jahren begegnete, als ich damals eine Alterssprechstunde schrieb: »Wenn du richtig alt werden willst, musst du beizeiten anfangen.«
Hamburg, Frühjahr 2021 Volker FintelmannEinstimmung
Ob siebzig oder siebzehn,
im Herzen eines jeden Menschen wohnt
die Sehnsucht nach dem Wunderbaren.
Du bist so jung wie deine Zuversicht,
so alt wie deine Zweifel,
so jung wie deine Hoffnung,
so alt wie deine Verzagtheit.
So lange die Botschaften der
Schönheit, Freude, Kühnheit, Größe,
Macht von der Erde, den Menschen
und dem Unendlichen
dein Herz erreichen –
so lange bist du jung.
Albert Schweitzer
Vor gut 30 Jahren habe ich für den Verlag Urachhaus eine Alterssprechstunde geschrieben. Der damalige Verleger Johannes Mayer und ich gingen davon aus, dass es sinnvoll wäre, zu dem Pol der Kindheit und der überaus erfolgreichen Kindersprechstunde von Michaela Glöckler und Wolfgang Goebel nun auch den anderen Pol des Menschenlebens, das Alter, hinzuzufügen. Diese Alterssprechstunde, die erstmals 1991 erschien, wurde mit Interesse aufgenommen und fand seine Leser, es folgten 1999 und 2005 weitere Auflagen. Heute kann man sie nur noch antiquarisch erwerben. Der Lebensabschnitt des Alters fand kein annähernd vergleichbares Interesse wie derjenige der Kindheit.
Vorstellung »ewiger Jugend«
Hat sich das heute, drei Jahrzehnte später, verändert? Immer mehr dominiert die Vorstellung »ewiger Jugend«, immer deutlicher wird Alter mit Abbau und Degeneration, mit Demenz oder Alzheimer gleichgesetzt. Insofern ist es nur konsequent, wenn die Forscherelite im Silicon Valley als eines ihrer wichtigsten Forschungsziele die Aufhebung des Alters im Menschenleben sieht und entsprechend intensiv und mit Einsatz extremer Geldsummen verfolgt. Es werden die Gene gesucht und identifiziert, die für das Alter verantwortlich gemacht werden, und an ihrer Mutierung oder vollständigen Abschaffung gearbeitet. Das vorläufige Ziel besteht darin, dass Menschen 200 Jahre alt werden, auf längere Sicht sollen es dann 500 sein.1 Das scheint doch ganz im Sinne moderner Anschauungen besonders der westlich orientierten Menschen zu sein, denn wie häufig kann man den Satz lesen oder hören: Die meisten Menschen wollen heute gerne sehr alt werden, doch keiner von ihnen will alt sein.
Anthropologie und Anthroposophie
Weisheit und Lebenserfahrung
Kann diese Paradoxie aufgelöst werden, können wir ein Verständnis entwickeln, warum das Alter eine so negative Bedeutung bekommen hat? Denn das war nicht immer so und ist auch heute in manchen vor allem östlichen Kulturen ganz anders. Das Alter wurde mit Ehrfurcht erlebt und auch verehrt, man verband es mit Weisheit und gesättigter Lebenserfahrung. Und ist es nicht auch paradox, dass in vielen Institutionen, zum Beispiel in der katholischen Kirche, extrem alte Menschen in höchste Ämter berufen oder gewählt werden, dass im Wahlkampf der USA die wichtigsten Kandidaten für das Amt des Präsidenten oft weit über 70 Jahre alt sind?
Verständnis des Menschen selbst
Der erste Denkschritt für das Enträtseln dieser sich widersprechenden Anschauungen über das Alter beruht auf dem Verständnis des Menschen selbst. Die Wissenschaft vom Menschen (Anthropologie), die Teil der alles dominierenden Naturwissenschaften ist, erklärt den Menschen als hochkomplexen Leib, welcher seelische und auch geistige Phänomene produziert, die jedoch keine Eigenständigkeit oder gar eigene Gesetzmäßigkeiten haben. Die ursprüngliche Dreiheit des Menschen (Trichotomie), welche Leib, Seele und Geist umfasste, wurde auf die Einheit Leib geschrumpft. Geist oder Seele existieren demnach nur in Verbindung mit einem Leib oder Körper, sie haben keine unabhängige oder gar den Leib zeitlich überdauernde Existenz. Für eine so reduzierte Wissenschaft des Menschen gibt es weder Geist noch Seele ohne Körper.
Materie als »Schlacke« des Geistes »Abschaffung« der eigenständigen Seele
Diese maximale Reduzierung letztlich auf ausschließlich Materielles ist durch die moderne Physik, vor allem als Quantenphysik, längst widerlegt. Für den Physiker Hans-Peter Dürr zum Beispiel ist Materie nur »Schlacke« des Geistes, dessen Ausdruck für ihn Verbundenheit oder noch umfassender Liebe ist. Der Geist ist das Element in der Welt, das alles zusammenhält, er nennt ihn unteilbar, holistisch, ein Ganzes: »Die Grundlage der Welt ist nicht materiell, sondern geistig.«2 Geistesgeschichtlich ist es eindrücklich, dass diese Reduzierung einer Dreiheit auf die Einheit in zwei Schritten erfolgte: 869 n.Chr. schaffte die römisch-katholische Kirche auf dem Konzil von Konstantinopel mit Mehrheitsbeschluss den eigenständigen Geist quasi ab, ja sie stellte unter Strafe der Häresie oder Ketzerei, von einem solchen zu sprechen oder zu schreiben. Und im 19. Jahrhundert schaffte dann die aufkommende streng (ja letztlich ebenfalls dogmatische) naturwissenschaftliche Medizin die eigenständige Seele ab. Auch hierfür kann eine Jahreszahl genannt werden: 1858 veröffentlichte Rudolf Virchow seine Zellularpathologie. In diesem Buch propagierte er die Autonomie der Zelle als eigentliche Einheit des Körpers – und letztlich auch den Menschen als genetisch gesteuerten komplexen Zellhaufen, in dem eine eigenständige Seele keinen Platz mehr hat. Die etwas später aufkommende Psychoanalyse Freuds und alle parallel entstehenden Psychologien, Psychotherapien und auch die Psychosomatik haben daran bis heute nichts ändern können.
Anthroposophie
Noch im ausklingenden 19. Jahrhundert und vor allem auch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts vermittelte Rudolf Steiner eine Wissenschaft vom Menschen, die er Anthroposophie nannte und erkenntnistheoretisch als Synthese von naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Erkenntnis des Menschen und der Welt, in die er gestellt ist, begründete.3 In ihr lebt wieder das Wissen um die Trichotomie von Leib, Seele und Geist, ebenso wie umfassende Darstellungen ihres Miteinanders trotz eigenständiger Gesetzmäßigkeiten und alle damit verbundenen Verständnisse, aus der Sicht des Arztes zum Beispiel auch von Gesundheit und Krankheit.
Steiner sprach unmissverständlich aus, dass nur der Leib oder Körper altert: »Und nur des Leibes Schicksal auf Erden ist es, alt zu werden.«4 Die Seele dagegen ist jung und bleibt es, ja sie kann sogar immer jünger werden, wenn sie aus ihrer Gesetzmäßigkeit in gesunder Korrespondenz mit Leib und Geist existieren kann und nicht zum Beispiel zunehmend vom Leib dominiert wird.
Mensch als Werdender
Steiner machte in seinem umfassenden Werk auch auf eine weitere Wirklichkeit immer wieder aufmerksam: die in seiner Zeit aufkommende Idee der Evolution, wie sie sich mit Namen wie Charles Darwin, Ernst Haeckel oder aus christlicher Sicht Teilhard de Chardin verbindet. Auch er selbst beschrieb eine Entwicklungsgeschichte von Mensch und Welt5 und definierte den Menschen als Werdenden, nicht als Seienden. Und er weitete unseren Blick über die Grenzen der Geburt oder Empfängnis und des Todes oder Lebensendes hinaus in eine real zu erfassende Welt der Vorgeburtlichkeit und Nachtodlichkeit, hin zu einer Existenz oder auch eines Lebens zwischen Tod und erneuter Geburt und damit der Gesetzmäßigkeit der Wiederverkörperung oder Reinkarnation. So wird der Mensch Teil der großen Evolution der Schöpfung, die er von ihrem Anfang bis an ihr Ende als Einzelner, als Individualität mitmacht. Denn er – der Mensch – ist Mittelpunkt und Ziel dieser Evolution und kann so nur als ein sich Entwickelnder, Werdender verstanden werden. Eine Grundgesetzmäßigkeit aller so gewollten Evolution ist der Rhythmus oder die Fülle unterschiedlicher Rhythmen.
Veranlagung zur Freiheit
Ein weiteres Phänomen zum Verständnis des Menschen und so auch der Perspektive des Alters ist die Freiheit. Der Mensch wird durch die Schöpferkräfte zur Freiheit veranlagt, doch es ist ein (unvorstellbar) langer Weg bis zu ihrer Realisation. Wir werden sehen, wie sehr der Erwerb der Freiheit mit dem Alter zusammenhängt. Nun ist aber gerade der Aspekt der Freiheit das Tor, durch das Kräfte an den Menschen herandrängen, die eine solche Entwicklung verhindern oder in die Irre führen wollen.
Somit schauen wir auf mehrere Phänomene des Menschseins und -werdens als Voraussetzung, Alter zu verstehen. Wir wollen sie nun noch etwas ausführlicher betrachten, ehe dann in den darauf folgenden Kapiteln der Lebenslauf (die Biografie) und deren Anteil des Alters detaillierter dargestellt werden.
Die Dreiheit
Leib, Seele und Geist
Ohne ein gründliches Verständnis der Dreiheit von Leib, Seele und Geist ist der Mensch und damit auch der Lebensabschnitt des Alters nicht zu erfassen. Die Drei ist Ausdruck einer zentralen Kraft aller Schöpfung. Im Christentum begegnen wir ihr in der Trinität Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Im Menschen erscheinen diese Schöpferkräfte in der Trichotomie von Leib (Vater), Seele (Sohn) und Geist. Sie realisieren sich auch in der Zeit als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auch das findet sich im Menschen als die Abschnitte von Kindheit und Jugend, vom Erwachsensein und dann vom Alter wieder. Wir können einen ersten Aspekt davon erhaschen, dass Alter sich mit Zukunft verbindet, so wie die Kindheit mit Vergangenheit. Das wird natürlich noch ausführlicher begründet werden.
funktionale Dreigliederung
Eine weitere schöpferische Dreiheit entdeckte Rudolf Steiner nach langer Forschungszeit im menschlichen Leib in den lebendigen Funktionen des Organismus. Er nannte sie funktionale Dreigliederung und beschrieb sie in drei Systemen. Eine Polarität bilden alle Sinnes-Nerven-Prozesse und alle Stoffwechsel-Bewegungs-Vorgänge (Sinnes-Nerven-System und Stoffwechsel- Bewegungs-System). Diese Polarität wird ständig ausgeglichen bzw. im Gleichgewicht gehalten durch rhythmische Prozesse (Rhythmisches oder auch Atmungs-Zirkulations-System). Diese drei Systeme bilden zusätzlich zu ihren funktionellen Tätigkeiten die leibliche Grundlage für alle seelischen Vorgänge, die den Leib zu ihrer Offenbarung brauchen. Wir kennen sie als in sich differenzierte Ganzheiten von Denken, Fühlen und Wollen.6
Denken, Fühlen und Wollen Ahriman und Luzifer
Ganz behutsam sei auf eine weitere Dreiheit verwiesen, die später noch deutlicher angesprochen werden wird. In ihr bildet der Mensch die ausgleichende Mitte zwischen zwei Geistwesen, die seit langen Zeiten Ahriman und Luzifer genannt werden. Ihnen gab Goethe in Mephistopheles eine gemeinsame Gestalt, die real geschaut eben zwei sind. Das wird auch in dem Namen Mephistopheles deutlich, abgeleitet von mephiz (Hinderer, Verderber) und tophel (Lügner). Goethe hat ihre unterschiedliche Art Mephistopheles auch aussprechen lassen, denn er bezeichnet sich sowohl als Kraft, die das Böse will und doch Gutes schafft, und zugleich als einen Geist, der stets verneint.7 Traditionell werden Ahriman und Luzifer als Ausdruck des Bösen bezeichnet, als Satan und Diabolos. Und im Sündenfall und seinen Folgen sind diese Kräfte der Versuchung, den Menschen von seinem vorgesehenen Weg durch Hindernisse, Täuschungen oder Irrwege abzubringen, imaginativ-bildhaft dargestellt. Es sind jedoch auch Kräfte der Schöpfung und als Widerstände (Widersacher) oder Versucher ganz notwendige Elemente zum Erwerb der Freiheit. In seiner Menschwerdung wird der Gottessohn Christus auch als Erstes den Versuchern gegenübergestellt (Matthäus 4,1–11).