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Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3
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Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3

Die Türe waren eigentlich schon recht weit geöffnet. Er musste sich erst langsam um den einen Türflügel[46 - der Türflügel – дверная створка] herumdrehen. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung beschäftigt. Er hatte keine Zeit, auf anderes zu achten. Dann hörte er den Prokuristen ein lautes» Oh!«ausstoßen. Es klang, wie wenn der Wind saust. Und nun sah er ihn auch, wie er, der an der Türe war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam zurückwich. Eine unsichtbare Kraft vertreibe ihn. Die Mutter stand auch hier. Sie sah zuerst mit gefalteten Händen den Vater an. Dann ging sie zwei Schritte zu Gregor hin. Und dann fiel sie nieder. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen. Er sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um. Er beschattete dann mit den Händen die Augen und weinte. Seine mächtige Brust schüttelte sich.

Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer. Er lehnte sich von innen an den Türflügel. Man sah sein Leib und sein Kopf, mit dem er zu den anderen hinüberlugte. Es war inzwischen viel heller. Auf der anderen Straßenseite stand ein Ausschnitt des gegenüberliegenden, endlosen, grauschwarzen Hauses. Es war ein Krankenhaus. Der Regen fiel noch nieder, aber nur mit großen Tropfen. Das Frühstücksgeschirr stand auf dem Tisch. Für den Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages. Gerade an der Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner Militärzeit, die ihn als Leutnant darstellte. Er verlangte Respekt für seine Haltung und Uniform. Die Tür zum Vorzimmer war geöffnet. Die Wohnungstür war auch geöffnet.

«Nun«, sagte Gregor,»ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrköpfig. Ich arbeite gern. Das Reisen ist beschwerlich, aber ich könnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist? Ins Geschäft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann jetzt nicht arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die früheren Leistungen zu erinnern. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet. Das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme[47 - in der Klemme – в беде]. Ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Geschäft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiß. Man denkt, er verdient ein Heidengeld[48 - das Heidengeld – бешеные деньги] und führt dabei ein schönes Leben. Sie aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren Überblick über die Verhältnisse als das sonstige Personal, ja sogar einen besseren Überblick als der Herr Chef selbst. Sie wissen auch sehr wohl, dass der Reisende, der fast das ganze Jahr außerhalb des Geschäfts ist, so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zufälligkeiten und grundlosen Beschwerden werden kann. Nur dann, wenn er eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, sagen Sie mir bitte ein Wort!«

VI

Aber der Prokurist hatte sich abgewendet, und nur sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurück. Während Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, gegen die Tür, aber ganz allmählich. Schon war er im Vorzimmer. Dann zog er den Fuß aus dem Wohnzimmer. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich zur Treppe hin.

Gregor dachte, dass er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen Fall weggehen lassen kann. Seine Stellung im Geschäft war wackelig. Die Eltern verstanden das alles nicht so gut. Sie denken, dass Gregor in diesem Geschäft für sein Leben versorgt ist. Sie hatten außerdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun. Sie haben keine Voraussicht. Aber Gregor hatte diese Voraussicht. Er muss den Prokurist halten. Der Prokurist muss beruhigt, überzeugt und schließlich sein. Die Zukunft Gregors und seiner Familie hing doch davon ab[49 - hing doch davon ab – от этого зависело]! Aber wo ist die Schwester? Sie war klug. Sie hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem Rücken lag. Und gewiss wird der Prokurist, dieser Damenfreund[50 - der Damenfreund – дамский угодник], mit her sprechen. Sie wird die Wohnungstür zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken ausreden. Aber die Schwester war eben nicht da. Gregor selbst musste handeln.

Und ohne daran zu denken, dass seine Rede nicht klar war, verließ er den Türflügel. Er schob sich durch die Öffnung. Er wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Geländer des Vorplatzes mit beiden Händen festhielt. Er fiel aber sofort, mit einem kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, fühlte er zum ersten Mal an diesem Morgen ein körperliches Wohlbehagen[51 - ein körperliches Wohlbehagen – удобство в теле]. Die Beinchen hatten festen Boden unter sich. Sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte. Sie werden ihn fortzutragen, wohin er wollte! Schon glaubte er, die endgültige Besserung alles Leidens stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er nicht weit von seiner Mutter auf dem Boden lag, sprang sie und rief:

«Hilfe, um Gottes willen Hilfe!«

Sie hielt den Kopf geneigt. Sie wollte Gregor besser sehen. Dann lief sie sinnlos zurück. Aber hatte sie vergessen, dass hinter ihr der gedeckte Tisch stand. Sie setzte sich, als sie bei ihm angekommen war, eilig auf ihn. Sie wollte nichts merken. Und aus der umgeworfenen großen Kanne, neben ihr, ergoss sich der Kaffee in vollem Strome auf den Teppich.

«Mutter, Mutter«, sagte Gregor leise, und sah zu ihr hinauf.

Der Prokurist war ihm ganz aus dem Sinn gekommen. Gregor wollte mit den Kiefern ins Leere schnappen. Darüber schrie die Mutter auf. Sie flüchtete vom Tisch und fiel dem Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit für seine Eltern. Der Prokurist war schon auf der Treppe. Sein Kinn war auf dem Geländer. Er sah noch zum letzten Male zurück. Gregor nahm einen Anlauf, um ihn sicher einzuholen. Der Prokurist sah alles. Er machte einen Sprung über mehrere Stufen und verschwand.

«Huh!«aber schrie er noch.

Es klang durchs ganze Treppenhaus. Leider verwirrte diese Flucht des Prokuristen den Vater. Statt selbst dem Prokuristen nachzulaufen, packte der Vater den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher auf einem Sessel zurückgelassen hatte. Er holte auch eine große Zeitung vom Tisch und machte sich unter Füßestampfen[52 - das Füßestampfen – топанье ногами] daran, Gregor in sein Zimmer zurückzutreiben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden. Er konnte den Kopf demütig drehen, aber stampfte der Vater nur stärker mit den Füßen.

Drüben hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fenster aufgerissen. Sie drückte ihr Gesicht weit außerhalb des Fensters in ihre Hände. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft. Die Fenstervorhänge flogen auf. Die Zeitungen rauschten auf dem Tische. Einzelne Blätter wehten über den Boden hin. Unerbittlich drängte der Vater und stieß Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar keine Übung im Rückwärtsgehen. Es ging wirklich sehr langsam. Gregor wollte umdrehen, aber er fürchtete sich, den Vater ungeduldig zu machen. Jeden Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in des Vaters Hand der tödliche Schlag auf den Rücken oder auf den Kopf. Endlich merkte Gregor mit Entsetzen, dass er im Rückwärtsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten verstand. So begann er sich sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte das der Vater, denn er störte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte von der Ferne[53 - von der Ferne – издали] mit der Spitze seines Stockes.

VII

Ach, dieses unerträgliche Zischen des Vaters! Gregor verlor darüber ganz den Kopf. Er war schon fast ganz umgedreht, als er sich sogar irrte und sich wieder ein Stück zurückdrehte. Als er aber endlich glücklich mit dem Kopf vor der Türöffnung war, zeigte es sich, dass sein Körper zu breit war, um durchzukommen. Der Vater konnte natürlich den anderen Türflügel nicht öffnen, um für Gregor einen genügenden Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee[54 - fixe Idee – навязчивая идея] war bloß, dass Gregor so rasch als möglich in sein Zimmer muss. Aber Gregor brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese Weise[55 - auf diese Weise – таким образом] durch die Tür zu kommen.

Vielmehr trieb er Gregor jetzt unter besonderem Lärm vorwärts. Es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme bloß eines einzigen Vaters. Nun gab es wirklich keinen Spaß mehr. Gregor drängte sich in die Tür. Die eine Seite seines Körpers hob sich. Er lag schief in der Türöffnung. Seine Flanke war ganz wundgerieben[56 - war wundgerieben – изранен]. An der weißen Tür blieben hässliche Flecken. Bald steckte er fest und könnte nicht mehr rühren. Die Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft. Die Beinchen auf der anderen Seite waren schmerzhaft zu Boden gedrückt. Da gab ihm der Vater von hinten einen starken Stoß. Gregor flog weit in sein Zimmer hinein. Die Tür wurde noch mit dem Stock zugeschlagen. Dann war es endlich still.

Erst in der Abenddämmerung erwachte Gregor aus seinem schweren Schlaf. Er fühlte sich genügend ausgeruht und ausgeschlafen. Aber hat ihn ein flüchtiger Schritt geweckt. Der Schein der elektrischen Straßenlampen lag bleich hier und da auf der Zimmerdecke und auf den höheren Teilen der Möbel. Aber unten bei Gregor war es finster. Langsam schob er sich zur Türe hin, um nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite war eine einzige lange spannende Narbe. Er musste auf seinen zwei Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war schwer verletzt. Es war fast ein Wunder, dass nur eines!

Erst bei der Tür merkte er, was ihn dorthin gelockt hatte. Es war der Geruch von etwas Essbarem. Denn dort stand ein Napf mit süßer Milch gefüllt, in der kleine Schnitten von Weißbrot schwammen. Er hat vor Freude gelacht. Er hat noch größeren Hunger, als am Morgen. Gleich tauchte er seinen Kopf fast bis über die Augen in die Milch hinein. Aber bald zog er ihn enttäuscht wieder zurück. Das Essen machte Schwierigkeiten wegen seiner heiklen linken Seit. Und er konnte nur essen, wenn der ganze Körper schnaufend mitarbeitete. So schmeckte ihm überdies die Milch, die sonst sein Lieblingsgetränk war, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab. Dann kroch er in die Zimmermitte zurück.

Im Wohnzimmer war das Gas angezündet, aber hörte man jetzt keinen Laut. Auch ringsherum war es sehr still, trotzdem doch gewiss die Wohnung nicht leer war.

«Was für ein stilles Leben die Familie doch führte«, sagte sich Gregor.

Er fühlte einen großen Stolz darüber, dass er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches Leben in einer so schönen Wohnung verschaffen kann. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand, alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? So setzte sich Gregor in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.

Einmal während des langen Abends wurde die eine Seitentüre und einmal die andere Seitentüre bis zu einer kleinen Spalte geöffnet und rasch wieder geschlossen. Jemand wollte hereinzukommen, aber auch wieder zu viele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der Wohnzimmertür halt. Er wollte den zögernden Besucher doch hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es ist. Aber nun wurde die Tür nicht mehr geöffnet und Gregor wartete vergebens. Früh, als die Türen versperrt waren, wollten alle zu ihm hereinkommen. Jetzt, da er die Tür geöffnet hat, kam keiner mehr.

Spät erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgelöscht. Die Eltern und die Schwester waren so lange wachgeblieben. Man konnte genau hören, entfernten sich jetzt alle drei auf den Fußspitzen. Nun kam gewiss bis zum Morgen niemand mehr zu Gregor herein. Er hatte eine lange Zeit, zu überlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen, ängstigte ihn. Er ohne konnte die Ursache nicht herausfinden. Es war ja sein Zimmer! Nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das Kanapee. Dort fühlte er sehr behaglich. Nur bedauerte er, dass sein Körper zu breit war.

VIII

Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen Hoffnungen.

«Ich muss mich ruhig verhalten und durch Geduld und größte Rücksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten erträglich machen«, sagte sich Gregor.

Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner Entschlüsse zu prüfen. Vom Vorzimmer her öffnete die Schwester die Tür. Sie sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte, erschrak sie so sehr, dass sie die Tür von außen wieder zuschlug. Aber öffnete sie die Tür sofort wieder und trat auf den Fußspitzen[57 - auf den Fußspitzen – на цыпочках] herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Wird sie bemerken, dass er die Milch stehen gelassen hatte? Wird sie eine andere Speise hereinbringen, die ihm besser entsprach? Er wollte unterm Kanapee vorzuschießen, sich der Schwester zu Füßen zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum verschüttet war. Sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den Händen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus.

Gregor war neugierig, was sie zum Ersatz bringen kann. Er machte sich die verschiedensten Gedanken darüber. Niemals aber könnte er erraten, was die Schwester in ihrer Güte[58 - in ihrer Güte – по своей доброте] wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prüfen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl her, die von weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein Käse; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie den Napf, in den sie Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgefühl, entfernte sich eiligst und drehte sogar den Schlüssel um. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden waren schon geheilt. Er fühlte keine Behinderung mehr.

«Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?«dachte er.

Er saugte schon gierig an dem Käse, zu dem er sofort kam. Mit Befriedigung verzehrte er den Käse, das Gemüse und die Sauce. Die frischen Speisen schmeckten ihm nicht. Er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen. Er schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, weiter weg. Er war mit allem fertig und lag nun faul auf der gleichen Stelle, als die Schwester langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte. Er eilte wieder unter das Kanapee. Aber es kostete ihn große Selbstüberwindung[59 - es kostete ihn große Selbstüberwindung – это стоило ему больших усилий]. Von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet. Er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfällen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die Schwester mit einem Besen zusammenkehrte. Dann schüttete sie alles hastig in einen Kübel, den sie mit einem Holzdeckel schloss, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor. Er streckte und blähte sich.

Auf diese Weise bekam nun Gregor täglich sein Essen, einmal am Morgen, wenn die Eltern und das Dienstmädchen noch schliefen, das zweitemal nach dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern gleichfalls noch ein Weilchen. Gewiss wollten sie nicht, dass Gregor verhungere. Tatsächlich litten sie ja gerade genug.

Mit Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht erfahren. Sie haben Gregor nicht verstanden und sie dachten nicht, dass er die anderen verstehen kann. Wenn die Schwester in seinem Zimmer war, hörte er ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen. Erst später erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich war:

«Heute hat es ihm aber geschmeckt«, sagte sie.

Oder:

«Nun ist wieder alles stehen geblieben.«

IX

Während aber Gregor keine Neuigkeit erfahren konnte, horchte er manches aus den Nebenzimmern. Wo er nur einmal Stimmen hörte, lief er gleich zu der betreffenden Tür und drückte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein Gespräch, das nicht irgendwie von ihm handelte.

Zwei Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen darüber zu hören, wie man sich jetzt verhalten soll. Aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach man über das gleiche Thema, denn immer waren zwei Familienmitglieder zu Hause. Niemand wollte allein zu Hause bleiben. Aber konnte man die Wohnung doch auf keinen Fall verlassen.

Auch hatte das Dienstmädchen gleich am ersten Tag kniefällig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen. Als sie sich eine Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie für die Entlassung, wie für die größte Wohltat. Sie gab einen fürchterlichen Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu verraten.

Nun musste die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen. Allerdings machte das nicht viel Mühe, denn man aß fast nichts. Immer wieder hörte Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte[60 - wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte – как они уговаривали друг друга поесть] und keine andere Antwort bekam, als:

«Danke, ich habe genug«, oder etwas Ähnliches.

Öfters fragte die Schwester den Vater, ob er Bier will, und herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen. Als der Vater schwieg, sagte sie, sie kann auch die Hausmeisterin darum schicken. Aber dann sagte der Vater schließlich ein großes» Nein«.

Schon legte der Vater die ganzen Vermögensverhältnisse und Aussichten sowohl der Mutter, als auch der Schwester dar. Er stand er vom Tische auf und holte aus seiner kleinen Wertheimkassa irgendeinen Beleg oder irgendein Vormerkbuch. Man hörte, wie er das komplizierte Schloss aufsperrte und dann es wieder verschloss. Diese Erklärungen des Vaters waren das erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft hörte. Er dachte, dass dem Vater von jenem Geschäft her nicht das Geringste übriggeblieben war. Der Vater hatte ihm nichts gesagt, und Gregor hatte ihn auch nicht darum gefragt.

Damals war Gregors Sorge, alles daranzusetzen, um die Familie das Unglück möglichst rasch vergessen zu lassen. Und so arbeitete er damals mit ganz besonderem Feuer. Er war fast über Nacht aus einem kleinen Kommis[61 - der Kommis – приказчик] ein Reisender geworden. Er hatte natürlich ganz andere Möglichkeiten des Geldverdienens. Seine Arbeitserfolge verwandelten sich sofort in Form der Provision zu Bargeld. Er konnte das der erstaunten und beglückten Familie zu Hause auf den Tisch legen. Es waren schöne Zeiten. Niemals nachher hatten sie sich wiederholt, trotzdem Gregor später so viel Geld verdiente, dass er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gewöhnt[62 - man hatte sich eben daran gewöhnt – к этому все привыкли], sowohl die Familie, als auch Gregor. Man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab. Aber eine besondere Wärme wollte sich nicht mehr ergeben.

Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe geblieben. Es war sein geheimer Plan: sie, die Musik sehr liebte und rührend Violine spielte, nächstes Jahr auf das Konservatorium zu schicken. Öfters während der kurzen Aufenthalte Gregors in der Stadt wurde in den Gesprächen mit der Schwester das Konservatorium erwähnt, aber immer nur als schöner Traum, an dessen Verwirklichung nicht zu denken war. Die Eltern hörten nicht einmal diese Erwähnungen gern. Aber Gregor dachte sehr bestimmt daran. Er beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erklären.

Solche ganz nutzlosen Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er an der Türe klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner Müdigkeit gar nicht mehr zuhören und ließ den Kopf nachlässig gegen die Tür schlagen. Aber hielt er ihn aber sofort wieder fest, denn das kleine Geräusch war nebenan gehört worden und hatte alle verstummen lassen.

«Was er nur wieder treibt«, sagte der Vater nach einer Weile.

Dann wurde das Gespräch allmählich wieder aufgenommen.

Gregor erfuhr nun genug. Der Vater wiederholte sich in seinen Erklärungen. Und die Mutter verstand nicht alles gleich beim ersten Mal. Trotz allen Unglücks war ein ganz kleines Vermögen aus der alten Zeit noch vorhanden. Außerdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte, nicht vollständig aufgebraucht. Es hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner Türe, nickte eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich wird er ja mit diesen überschüssigen Geldern die Schuld des Vaters gegenüber dem Chef weiter abgetragen.