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Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3
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Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3

X

Nun genügte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen. Es genügte vielleicht, um die Familie ein, höchstens zwei Jahre zu erhalten. Es war also bloß eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die für den Notfall zurückgelegt war. Das Geld zum Leben aber musste man verdienen.

Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon fünf Jahre nichts gearbeitet hatte. In diesen fünf Jahren hatte er viel Fett angesetzt. Er war dadurch recht schwerfällig. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt. Sie verbrachte jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sofa beim offenen Fenster. Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren. Was ist ihre Lebensweise? Sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und Violine zu spielen. Wenn die Rede auf das Geld kam, ließ zuerst immer Gregor die Türe los und warf sich auf das kühle Ledersofa, denn ihm war ganz heiß vor Beschämung und Trauer.

Oft lag er dort die ganzen langen Nächte über, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die große Mühe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbrüstung hinaufzukriechen und sich ans Fenster zu lehnen. Er wollte aus dem Fenster schauen. Denn tatsächlich sah er von Tag zu Tag die Dinge immer undeutlicher. Das gegenüberliegende Krankenhaus bekam er überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Schaute er aus seinem Fenster in eine Einöde, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten? Nur zweimal sah die aufmerksame Schwester, dass der Sessel beim Fenster stand. Dann jedes Mal, nachdem sie das Zimmer aufgeräumt hatte, hinschob sie den Sessel wieder genau zum Fenster.

Gregor wollte mit der Schwester sprechen und ihr für alles danken, was sie für ihn machen kann. Er litt darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen möglichst zu verwischen. Je längere Zeit verging, desto besser gelang es ihr natürlich auch. Aber sah Gregor alles. Schon ihr Eintritt war für ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die Türe zu schließen, geradewegs zum Fenster und riss es mit hastigen Händen auf. Dann blieb sie ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und Lärmen erschreckte sie Gregor täglich zweimal. Die ganze Zeit über zitterte er unter dem Kanapee.

Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon für die Schwester kein besonderer Grund mehr, über Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig früher als sonst und traf Gregor noch an, wie er aus dem Fenster schaute.

Sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zurück und schloss die Tür. Gregor versteckte sich natürlich sofort unter dem Kanapee. Aber er musste bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam. Sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, dass ihr sein Anblick noch immer unerträglich war. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rücken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das Leintuch auf das Kanapee. Er ordnete es in einer solchen Weise an, dass er nun gänzlich verdeckt war. Die Schwester wird ihn nicht sehen. Sie ließ das Leintuch, so wie es war. Gregor sah sogar einen dankbaren Blick, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig lüftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.

In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht über sich bringen, zu ihm hereinzukommen. Er hörte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester völlig erkannten. Nun warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, während die Schwester dort aufräumte. Kaum war sie herausgekommen, musste sie ganz genau erzählen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte[63 - wie er sich diesmal benommen hatte – как он на этот раз себя вел]. Vielleicht war eine kleine Besserung? Die Mutter übrigens wollte Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zurück. Gregor hörte das sehr aufmerksam zu.

Später aber musste man sie mit Gewalt zurückhalten, und wenn sie dann rief:

«Laßt mich doch zu Gregor! Er ist ja mein unglücklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, dass ich zu ihm muß?«

Dann dachte Gregor, dass es vielleicht doch gut ist, wenn die Mutter hereinkommt. Nicht jeden Tag natürlich, aber vielleicht einmal in der Woche. Sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die doch nur ein Kind war.

XI

Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erfüllung. Während des Tages wollte Gregor auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen. Aber kriechen auf den paar Quadratmetern des Fußbodens konnte er auch nicht. Das ruhige Liegen ertrug er schon während der Nacht schwer. Das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergnügen. So nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer[64 - kreuz und quer – вдоль и поперек] über Wände und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern. Es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fußboden. Man atmete freier. Ein leichtes Schwingen ging durch den Körper. Dann konnte er sich losließen und auf den Boden klatschten.

Nun hatte er natürlich seinen Körper ganz anders in der Gewalt als früher. Beschädigte er sich selbst bei einem so großen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor für sich gefunden hatte. Da wollte sie ihm helfen. Die Möbel, die es verhinderten, wollte sie wegschaffen.

Aber könnte sie dies allein nicht tun. Den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten. Das Dienstmädchen wird ihr ganz gewiss nicht helfen. So blieb der Schwester also nichts übrig, als einmal die Mutter zu holen.

Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran. Aber verstummte sie an der Tür vor Gregors Zimmer. Zuerst sah natürlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war. Dann erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in größter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen.

Gregor wollte nicht spionieren. Er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen. Er war nur froh, dass sie nun doch gekommen war.

«Komm nur, man sieht ihn nicht«, sagte die Schwester.

Sie führte die Mutter an der Hand. Gregor hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze rückten. Er hörte, wie die Schwester immerfort den größten Teil der Arbeit für sich beanspruchte. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelstündiger Arbeit sagte die Mutter:

«Man soll den Kasten doch lieber hier lassen. Er ist sehr schwer. Und es ist doch gar nicht sicher, dass Gregor mit der Entfernung der Möbel ein Gefallen hat. Mir bedrücke das Herz der Anblick der leeren Wand. Warum soll auch Gregor diese Empfindung haben? Da ist er doch an die Zimmermöbel gewöhnt«.

«Und ist es dann nicht so«, sagte die Mutter ganz leise,»und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der Möbel zeigten, dass wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn rücksichtslos sich selbst überlassen? Es ist das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es früher war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet«.

Beim Anhören dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, dass der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand verwirren hat. Anders konnte er es sich nicht erklären, dass er ernsthaft wollte, dass sein Zimmer ausgeleert war. Er hatte wirklich Lust, das warme Zimmer in eine Höhle verwandeln zu lassen. Er wird freilich nach allen Richtungen ungestört kriechen!

Aber die Schwester war leider anderer Meinung. Sie hatte sich angewöhnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverständige gegenüber den Eltern aufzutreten. So war auch jetzt der Rat der Mutter für die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, sondern auf der Entfernung sämtlicher Möbel, mit Ausnahme des Kanapees, zu bestehen. Es war natürlich nicht nur kindlicher Trotz und das Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte. Sie hatte doch auch tatsächlich beobachtet, dass Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte.

Vielleicht aber spielte auch der schwärmerische Sinn der Mädchen ihres Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht. Wollte sie die Lage Gregors noch schreckenerregender machen? Um dann noch mehr für ihn leisten. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein ist, wird wohl kein Mensch außer Grete jemals eintreten.

Und so ließ sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht abbringen. In diesem Zimmer schien die Mutter unsicher. Sie verstummte und half der Schwester nach Kräften beim Hinausschaffen des Kastens. Nun, den Kasten konnte Gregor noch entbehren. Aber muss der Schreibtisch bleiben! Kaum hatten die Frauen mit dem Kasten das Zimmer verlassen, als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstieß.

Zum Unglück war es gerade die Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während Grete im Nebenzimmer den Kasten hielt und ihn allein hin und her schwang. Die Mutter aber war Gregors Anblick nicht gewöhnt. Er könnte sie krank machen. So eilte Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das andere Ende des Kanapees. Das Leintuch bewegte sich vorne ein wenig. Das genügte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu Grete zurück.

XII

Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, dass ja nichts Außergewöhnliches geschehe, sondern man nur ein paar Möbel umgestellt, wirkte doch dieses Hin- und Hergehen der Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der Möbel auf dem Boden, wie ein großer Trubel auf ihn. Er zog an sich seinen Kopf und Beine. Er drückte den Leib bis an den Boden. Und sagte er:

«Das kann ich nicht lange aushalten«.

Sie räumten ihm sein Zimmer aus. Sie nahmen ihm alles, was ihm lieb war. Den Kasten, in dem die Laubsäge und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon hinausgetragen. Sie lockerten jetzt den Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als Bürgerschüler, ja sogar schon als Volksschüler seine Aufgaben geschrieben hatte. Da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu prüfen, welche die zwei Frauen hatten. Und die Frauen arbeiteten schon stumm. Man hörte nur das schwere Tappen ihrer Füße.

Die Frauen stützten sich gerade im Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen. Und so brach er denn hervor. Er wechselte viermal die Richtung des Laufes. Er wusste wirklich nicht, was er zuerst retten soll. Da sah er das Bild. Das war eine Dame in Pelzwerk. Er kroch eilends hinauf und presste sich an das Glas. Das festhielt ihn. Das tat seinem heißen Bauch wohl. Dieses Bild wenigstens, dass Gregor jetzt ganz verdeckte, wird nun gewiss niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf nach der Tür des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer Rückkehr zu beobachten.

Sie kamen schon wieder. Grete hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast.

«Also was nehmen wir jetzt?«, sagte Grete und sah sich um.

Da kreuzten sich ihre Blicke mit denen Gregors an der Wand. Grete behielt ihre Fassung. Sie beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom Herumschauen abzuhalten. Dann sagte sie:

«Komm, wollen wir nicht lieber noch ins Wohnzimmer zurückgehen?«

Die Absicht Gretes war für Gregor klar. Sie wollte die Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen. Ha! Er saß auf seinem Bild und gab es nicht her. Lieber wird er Grete ins Gesicht springen.

Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt. Sie trat zur Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der geblümten Tapete. Sie rief, ehe sie sah, dass das Gregor war, mit schreiender, rauer Stimme:

«Ach Gott, ach Gott!«

Dann fiel sie mit ausgebreiteten Armen über das Kanapee hin und rührte sich nicht.

«Du, Gregor!«rief die Schwester mit erhobener Faust und eindringlichen Blicken.

Es waren die ersten Worte, die sie an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus ihrer Ohnmacht wecken könnte. Zur Rettung des Bildes war noch Zeit. Gregor wollte auch helfen. Er klebte aber fest an dem Glas und musste sich mit Gewalt losreißen. Er lief dann auch ins Nebenzimmer. Wollte er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in früherer Zeit? Während sie in verschiedenen Fläschchen kramte, erschreckte er sie, als sie sich umdrehte. Eine Flasche fiel auf den Boden und zerbrach. Ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht. Irgendeine ätzende Medizin umfloss ihn. Grete nahm nun soviel Fläschchen, als sie nur halten konnte, und rannte mit ihnen zur Mutter hinein. Die Tür schlug sie mit dem Fuße zu.

Gregor war nun von der Mutter abgeschlossen. War sie durch seine Schuld vielleicht nahe dem Tod? Die Tür durfte er nicht öffnen. Die Schwester muss bei der Mutter bleiben. Er hatte jetzt nichts zu tun, als zu warten. Er begann er zu kriechen, überkroch alles, Wände, Möbel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung mitten auf den großen Tisch.

Es verging eine kleine Weile. Gregor lag matt da. Ringsherum war es still. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da läutete es. Das Mädchen war natürlich in ihrer Küche eingesperrt. Grete ging daher öffnen. Der Vater war gekommen.

«Was ist geschehen?«waren seine ersten Worte.

Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete mit dumpfer Stimme. Sie drückte ihr Gesicht an des Vaters Brust:

«Die Mutter war ohnmächtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor ist ausgebrochen.«

«Ich habe es ja erwartet«, sagte der Vater,»ich habe es euch ja immer gesagt! Aber ihr Frauen wollt nicht hören.«

Gregor war es klar, dass der Vater Gretes kurze Mitteilung schlecht gedeutet hatte. Deshalb musste Gregor den Vater jetzt besänftigen.

Gregor flüchtete sich zur Tür seines Zimmers und drückte sich an sie. Beim Eintritt vom Vorzimmer wird der Vater her gleich sehen, dass Gregor die beste Absicht hat, sofort in sein Zimmer zurückzukehren. Das ist nicht nötig, ihn zurückzutreiben. Man muss nur die Tür öffnen, und er wird gleich verschwinden.

Aber der Vater war nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken.