Weitere Voraussetzung für den Verzug ist das Verschulden des Schuldners hinsichtlich der Leistungsverzögerung. Wie bei der Unmöglichkeit wird dieses aber vermutet, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4 BGB (Negativformulierung).
Zuletzt muss beim Gläubiger ein Verzögerungsschaden eingetreten sein. Das ist ein Schaden, der dem Gläubiger aufgrund der Verspätung der Leistung unabhängig von der fortbestehenden Leistungspflicht des Schuldners entstanden ist.
Beispiel: Kosten der Rechtsverfolgung (Inkassobüro, Rechtsanwaltsgebühren).
Ersatz der Verzugszinsen
Bei Geldschulden muss der Schuldner dem Gläubiger nach § 288 Abs. 1 S. 1 BGB als Mindestverzögerungsschaden (vgl. § 288 Abs. 4 BGB) die Verzugszinsen ersetzen. Der Verzugszinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB), bei Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften ohne Verbraucherbeteiligung (§ 13 BGB) sogar neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB). Der (variable) Basiszinssatz ergibt sich aus § 247 Abs. 1 BGB i. V. m. der Bekanntmachung der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger (§ 247 Abs. 2 BGB).
•Rücktritt vom Vertrag
Rücktritt wegen Verzögerung der Leistung
Unabhängig vom Ersatz des Verzugsschadens stellt sich für den Gläubiger die Frage, ob er wegen der Verzögerung der Leistung durch den Schuldner vom Vertrag zurücktreten kann. Dann müsste er noch offene Vertragspflichten nicht mehr erfüllen und könnte bereits erbrachte Leistungen zurückfordern (§ 346 Abs. 1 BGB).
Die Voraussetzungen für den Rücktritt wegen Verzögerung der Leistung regelt § 323 BGB. Nach § 323 Abs. 1 BGB muss der Schuldner zunächst eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringen. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner nicht pünktlich leistet. Ferner muss der Gläubiger dem Schuldner grundsätzlich eine angemessene Frist zur Leistung setzen, und diese Frist muss erfolglos verstrichen sein. Die Länge der Frist hängt vom Einzelfall, insbesondere von der Art und dem Gegenstand des Vertrages, ab. Grundsätzlich kann die Frist eher knapp bemessen werden, da der Schuldner wegen der Verspätung bereits eine Pflichtverletzung begangen hat. Im Normalfall ist daher eine Frist von ein bis zwei Wochen, im Einzelfall auch kürzer (z. B. bei verderblichen Lebensmitteln), angemessen.
Nach § 323 Abs. 2 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin nicht bewirkt und das Leistungsinteresse des Gläubigers – wie im Vertrag vereinbart – von der Termineinhaltung abhängt (sog. Fixgeschäft) oder wenn ausnahmsweise besondere Umstände für einen sofortigen Rücktritt vorliegen.
Beachte: Ein Verschulden des Schuldners für die Verzögerung der Leistung ist keine Rücktrittsvoraussetzung.
•Schadensersatz statt der Leistung
Leistungsverzögerung und Schadensersatz statt der Leistung
Auch bei der Verzögerung der Leistung durch den Schuldner kann dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zustehen. Typische Schäden sind hier etwaige Mehrkosten für ein Deckungsgeschäft sowie ein entgangener Gewinn wegen eines gescheiterten Folgevertrages. Diese Ansprüche können auch dann geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger vom Vertrag mit dem Schuldner wirksam zurückgetreten ist (§ 325 BGB).
Die Ersatzfähigkeit eines Schadens statt der Leistung ergibt sich wiederum aus § 280 Abs. 1, 3 BGB. Als Zusatznorm ist hier § 281 BGB einschlägig (§ 283 BGB scheidet aus, weil er die Fälle der Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB regelt, § 282 BGB, da er von Rücksichtnahmepflichtverletzungen gemäß § 241 Abs. 2 BGB ausgeht). Demnach bedarf es – ebenso wie beim Rücktritt – neben der nicht vertragsgemäßen Leistungserbringung grundsätzlich einer vorangegangenen Fristsetzung an den Schuldner, bevor der Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden kann (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch hier ist die Fristsetzung aber entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände für eine sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vorliegen (§ 281 Abs. 2 BGB).
Beachte: Wegen des Verweises auf § 280 Abs. 1 BGB in § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Verschulden des Schuldners an der Verzögerung Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 6)Zu prüfen ist der Anspruch des Z gegen A auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB.
Ein wirksamer Kaufvertrag wurde zwischen Z und A geschlossen. Damit besteht auch grundsätzlich der Zahlungsanspruch des Z. Möglicherweise ist A aber wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Dann wären die bis dahin erbrachten Leistungen zurückzugewähren und noch nicht erbrachte Leistungen müssten nicht mehr erfolgen (§ 346 BGB). Als Rechtsgrundlage für den Rücktritt kommt hier § 323 Abs. 1 BGB in Betracht.
Voraussetzung ist zunächst, dass die Leistung durch den Schuldner nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht wurde. Hier hat Z die vereinbarte Lieferzeit nicht eingehalten. Dies stellt eine Pflichtverletzung dar. Allerdings ist nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine weitere Anforderung, dass eine Frist zur Leistung gesetzt wird. Denn der Vertrag soll nicht gleich bei jeder Störung aufgelöst werden können. Der Schuldner erhält vielmehr ein Recht, seinen Fehler zu korrigieren. Eine Frist wurde hier von A aber nicht gesetzt.
Andererseits sind die Ausnahmen des § 323 Abs. 2 BGB zu beachten. Nach dessen Nr. 2 ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn zur Leistung ein bestimmter Termin vereinbart wurde und dem Schuldner die besondere Bedeutung des Termins für den Gläubiger bewusst war (Fixgeschäft). Dies ist hier der Fall, weil A – wie Z wusste – am 12.10. seine Gaststätte eröffnen wollte. Damit ist A wirksam vom Vertrag zurückgetreten.
Ergebnis: A muss die Zapfanlage nicht abnehmen und bezahlen.
2.2.3.4Verletzung von Rücksichtnahmepflichten
Schutzpflichtverletzung
Bei der Verletzung von Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ist nicht die Hauptleistungspflicht gestört. Vielmehr werden Nebenpflichten verletzt, die die Rechtsgüter der Vertragsparteien vor Schädigungen durch den jeweils anderen Teil schützen sollen. Kommt es gleichwohl zu einer Schutzpflichtverletzung, ist zwischen einem eingetretenen Verletzungsschaden und einem möglichen Schadensersatz statt der Leistung zu unterscheiden.
Handlungssituation (Fallbeispiel 7)Heinrich (H) hat von Erwin (E) einen lukrativen Auftrag erhalten: Er soll in der Wohnung des E eine neue Küche einbauen. Voller Elan schreitet H zur Tat. Beim Sägen einer Holzplatte vergisst er dann allerdings, die Tür zur Küche zu schließen, und auch, die Absaugvorrichtung für die Holzspäne anzuschalten. Als E in die Küche kommt, um dem H etwas zu trinken zu bringen, trifft den E ein Holzspan direkt ins Auge. E verlangt deshalb von H Schadensersatz wegen der Arztkosten.
Zu Recht? (Lösung Seite 57)
•Ersatz des Verletzungsschadens
Erstattungsfähigkeit von Verletzungsschäden
Ein Verletzungsschaden ist der Schaden, der sich unmittelbar aus der verletzten Rücksichtnahmepflicht ergibt. Es handelt sich hierbei also um einen Schadensersatz neben der Leistung, da dieser Schaden unabhängig von der eventuell mangelfrei erbrachten Hauptleistung eingetreten ist.
Beispiel: Der Mechaniker, der das Auto des Kunden reparieren soll, setzt sich mit seinem ölverschmierten Blaumann auf die weißen Ledersitze des Wagens. Die Reinigungskosten sind dann ein Verletzungsschaden.
Die Voraussetzungen für den Ersatz von Verletzungsschäden regelt allein § 280 Abs. 1 BGB (die §§ 281 bis 283 BGB sind nicht zusätzlich zu prüfen, da es sich beim Verletzungsschaden nicht um einen Schadensersatz statt, sondern neben der Leistung handelt). Zu den Voraussetzungen dieser zentralen Anspruchsgrundlage bei vertraglichen Pflichtverletzungen siehe Seite 47.
Vorvertragliche Schutzpflichtverletzungen
Problematisch bei der Verletzung von Rücksichtnahmepflichten ist jedoch häufig, dass zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung des Schuldners noch gar kein Vertrag abgeschlossen wurde. Dann liegt ein Schuldverhältnis als erster Voraussetzung von § 280 Abs. 1 BGB an sich nicht vor.
Beispiel: A betritt einen Supermarkt in der Absicht, dort einzukaufen. Beim Durchlaufen der Gänge fällt ihm von einer hochgestapelten Palette eine Konservendose auf den Kopf, die vom Inhaber des Supermarktes nicht ordnungsgemäß abgesichert worden ist.
In diesen Fällen darf es letztlich keinen Unterschied machen, ob die Pflichtverletzung schon vor Vertragsschluss (an der Kasse) oder erst danach erfolgte. Folglich ordnet § 311 Abs. 2 BGB an, dass ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch schon durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte entsteht. Demnach wird das Tatbestandsmerkmal „Schuldverhältnis“ aus § 280 Abs. 1 BGB durch eine solche vorvertragliche Sonderverbindung ersetzt. Im Ergebnis ist der Schuldner dem Gläubiger dann vertragsrechtlich zum Ersatz des Verletzungsschadens verpflichtet, wenn auch die weiteren Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB erfüllt sind.
Beachte: Mindestvoraussetzung für eine Vorverlagerung der vertraglichen Haftung sind nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB „geschäftliche“ Kontakte. Betritt also z. B. ein Obdachloser einen Supermarkt, um sich aufzuwärmen (und nicht um einzukaufen), fehlt es an einem geschäftlichen Kontakt. Dann scheidet eine Haftung des Inhabers des Supermarktes nach § 280 Abs. 1 BGB aus.
• Rücktritt vom Vertrag
Vertragsrücktritt bei Unzumutbarkeit
Neben dem Ersatz des Verletzungsschadens stellt sich dem Gläubiger evtl. die Frage, ob er infolge einer Rücksichtnahmepflichtverletzung des Schuldners vom Vertrag zurücktreten kann. Die Voraussetzungen hierfür regelt § 324 BGB. Demnach ist ein Rücktritt nur möglich, wenn dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Bei der Prüfung der „Unzumutbarkeit“ sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Schwere und Häufigkeit der Rücksichtnahmepflichtverletzung. Vor dem Hintergrund des Prinzips „pacta sunt servanda“ dürfen an die Unzumutbarkeit jedenfalls nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden. Oftmals wird deshalb vor dem Rücktritt eine Abmahnung durch den Gläubiger erforderlich sein (vgl. § 314 Abs. 2 BGB).
Beispiel: Frau F beauftragt einen Handwerker damit, ihre Wohnung zu renovieren. Verstößt der Handwerker gegen ein von F ausgesprochenes Rauchverbot in ihrer Wohnung, kann sie nicht gleich vom Vertrag zurücktreten. Anders verhält es sich aber bei einer gravierenden Rücksichtnahmepflichtverletzung des Handwerkers, etwa einer sexuellen Belästigung der F.
Soweit der Gläubiger vom Vertrag mit dem Schuldner nach § 324 BGB zurücktreten kann, führt dies zur Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen nach §§ 346 ff. BGB.
•Schadensersatz statt der Leistung
Voraussetzungen für Schadensersatz statt der Leistung
Auch bei einer Rücksichtnahmepflichtverletzung durch den Schuldner kann dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zustehen. Dieser ergibt sich auch in diesem Fall aus § 280 Abs. 1, 3 BGB. Als Zusatznorm ist hier § 282 BGB einschlägig, der von einer Pflichtverletzung des Schuldners nach § 241 Abs. 2 BGB ausgeht. Für den Schadensersatz statt der Leistung bedarf es damit auch hier der Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung für den Gläubiger. Insofern sind die Voraussetzungen die gleichen wie für den Rücktritt. Im Unterschied zum Rücktritt bedarf es beim Schadensersatz statt der Leistung aber eines Verschuldens des Schuldners, wie sich aus dem Rückverweis in § 282 BGB auf die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB ergibt.
Merke: Schadensersatz ist grundsätzlich verschuldensabhängig, der Rücktritt nicht.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 7)Zu prüfen ist der Anspruch des E gegen H auf Zahlung von Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB.
Voraussetzung für eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB ist zunächst eine schuldhafte Pflichtverletzung des H aus einem Schuldverhältnis. Das Schuldverhältnis zwischen E und H ist hier ein Werkvertrag (§ 631 BGB). Eine Hauptleistungspflicht hat H nicht verletzt. Denn dass die Arbeit des H mangelhaft oder verspätet ist, wird von E nicht behauptet. H hat allerdings die allgemeinen Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Danach muss der Schuldner auf Eigentum und Gesundheit des Vertragspartners Rücksicht nehmen. Dies hat H hier nicht getan, weil er vor dem Sägen der Holzplatte die Küchentür nicht geschlossen und seine Absaugvorrichtung nicht eingeschaltet hat. Das Unterlassen des H ist schuldhaft i. S. d. § 276 BGB, nämlich zumindest fahrlässig. Die angefallenen Arztkosten stellen schließlich einen ersatzfähigen Verletzungsschaden des E dar.
Ergebnis: E kann von H Schadensersatz (neben der Leistung) verlangen.
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