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Der Raubgraf
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Der Raubgraf

Der Dompropst nickte still vor sich hin und sagte dann: »Freilich, wenn Ihr es nicht nehmt, so nimmt es Graf Albrecht, wie er Burg Gersdorf genommen hat.«

»Hat er sie schon?« fuhr der Bischof auf.

»Wohl möglich, keinesfalls entgeht sie ihm,« erwiderte der Propst.

»So müssen wir weiter denken, Jordanus! müssen Land und Leute gewinnen, unsere Macht zu mehren,« sprach der Bischof immer heftiger werdend. »Ich will nicht ruhen und rasten, bis ich den Grafen von Regenstein zu meinen Füßen sehe. Er allein ist schuld dass die Äbtissin nicht kommt, und das, Jordanus, soll er mir büßen!«

»Es ist ein leidiger Fall, des Erzbischofs wegen,« nickte der Propst.

»Nun freilich! was soll er denken, wenn die Äbtissin von Quedlinburg und die Grafen von Regenstein fehlen?«

»Und die andern, die Grafen von Mansfeld, Hohnstein, Stolberg –«

»Haben die auch abgesagt?« frug der Bischof finster.

»Noch nicht, aber Ihr glaubt doch nicht, dass sie kommen werden, wenn die Regensteiner ausbleiben?«

Der Bischof stampfte mit dem Fuße. »Und das alles um den einen!« rief er wutbebend. »Aber ich zwing' ihn, ich zwing' ihn, Jordanus!«

»Dann macht Euch auf einen heißen Kampf gefasst, hochwürdiger Herr!«

»Das bin ich, Propst!« erwiderte der Bischof und reckte die schlanke Gestalt mit dem feinen Kopf stolz empor; »es geht um die Herrschaft im Gau. Nur einer kann Herr darin sein, und das will ich sein!«

»Wenn Ihr der Städte sicher wäret –,« sagte der Propst.

»Osterwiek ist mir treu, mit Quedlinburg sind wir im reinen, nur unserem lieben Halberstadt ist nicht recht zu trauen,« erwiderte der Bischof nachdenklich, »indessen gegen den Regensteiner wird es mich nicht im Stich lassen.« Dann fügte er mit einer entlassenden Handbewegung hinzu: »Sendet morgen in der Frühe einen Boten mit einem Schreiben an den Fürsten von Anhalt, ich nähme seine Bedingungen an und betrachte mich von Stund an im Besitz von Wegeleben und Schneitlingen.«

»Es ist wenigstens ein Anfang,« sagte der Propst sich verneigend.

»Ja,« sprach der Bischof, »der Anfang zum Kampf mit dem Grafen, zum Kampf um die Herrschaft im Gau!« –

Als der Bischof seinen vorsichtigen Dompropst mit den verhängnisvollen Worten verabschiedete, dachte er nicht, dass der erste Schlag in diesem Kampfe bereits gefallen war, und nicht von einem bischöflichen Schwerte. Aber noch der heutige Tag sollte ihn darüber aufklären.

Gegen Abend erschreckten den einsam Grübelnden sein Kammerknecht durch die mit verstörter Miene vorgebrachte Meldung: »Hochwürdigster Herr, draußen ist Glefing, der Vogt von Emersleben, und will Euch sprechen; er ist verwundet.«

Der Bischof schnellte empor, als wäre er in die Ferse gestochen. »Was sagst du?« rief er, »Glefing verwundet? bring' ihn her!« Eine heftige Unruhe erfasste ihn, und die kurze Spanne Zeit, bis der Angemeldete erschien, dauerte ihm schon zu lange.

Der Reisige trug den rechten Arm in einer Schlinge und war bleich und matt vom Blutverlust und von der Anstrengung des trotz seiner Verwundung zu Fuß zurückgelegten Weges.

»Glefing! was hat's gegeben?« frug der Bischof, ehe der andere ein Wort sagen konnte. »Waren die Regensteiner in Emersleben?«

»Hochwürdigster Herr, sie sind noch drin,« erwiderte der Vogt.

»Das soll doch nicht etwa heißen, sie hätte das Schloß erstiegen?« schnob ihn der Bischof an.

»Doch, Herr! es ist so,« sagte Glefing. »Mit einem Male waren sie da, die fünf Grafen, Albrecht voran, bei zwanzig Pferde stark und mit ihrem reisigen Fußvolk vom Regenstein, von Derenburg, Schwanbeck und Crottorf und Bock von Schlanstedt mit den bösen Sieben. Das Tor zuschlagen und die Brücke abwerfen war ein; aber ehe wir die Armbrust aufbringen konnten, waren sie schon an der Mauer, und die Crottorfer hatten allerlei Kriegszeug zum Werfen mitgebracht, und damit fingen sie an, uns hart zu berennen. Das erste Mal fehlte es ihnen, und mancher von ihnen sank hin und stand nicht wieder auf; aber der Überdrang war zu groß gegen unser Häuflein. Als sie schon im Tore drin waren, gab es noch eine harte Schlacht, und Graf Albrecht rief mir zu, ich sollte zum Frieden mit mir handeln lassen, sonst würden wir schwerlich mit dem Leben davon kommen. Ich wies ihn ab, und da ging es ans Dreinhauen Mann gegen Mann, und als ich den Hieb auf den Arm kriegte, war's vorbei. Drei von den Unsern lagen tot, und vier waren verwundet; da mussten wir aus gedrungener Not klein beigeben. Sie warfen uns hinaus und haben eine starke Besatzung ins Schloss gelegt. Emersleben ist nun wieder Regensteinsch.«

Den Kopf in die Hand gestützt am Tische sitzend und an der Unterlippe nagend, hatte der Bischof den Bericht seines verwundeten Burgvogtes angehört, ohne ihn zu unterbrechen. »Der Herr der Hölle danke dir für deine Botschaft!« fuhr er dann mit einem Male heraus.

»Ihr habt sie ja noch gar nicht gehört, Herr!« erwiderte Glefing.

»Hast du noch mehr zu krächzen, Unglücksrabe?«

»Noch ein paar Worte vom Grafen Albrecht von Regenstein an Euch,« erwiderte der Vogt. »Ich soll Euch sagen, hochwürdigster Herr, das Schwert ließe den Krummstab grüßen, und was man mit einem Tausch mit einem ehrlichen Kaufbrief nicht kriegen könnte, das nähme man sich so wie Schwanebeck und Emersleben; das wäre weltlich Recht.«

»Scher' dich zum – Bader und lasse dich verbinden!« knirschte der Bischof.

Der Vogt ging ohne Dank und Abschied davon. Der Bischof aber wandelte mit großen Schritten auf und nieder und murmelte Verwünschungen gegen den Grafen Albrecht. Schon etwas gefasster sagte er in seinem zerrissenen Selbstgespräch: »Dahin wie daher! Was wir in Emersleben verloren, müssen wir in Wegeleben wieder aufbauen.«

Spät erst begab er sich zur Ruhe und warf sich noch lange auf dem Lager umher, bis sich der Schlummer seines aufgeregten, mit zahllosen Plänen zermarterten Gehirnes erbarmte und den macht- und ruhmbegierigen Mann dann doch noch mit beängstigenden Träumen quälte.

Fünftes Kapitel.

Leere Drohungen auszustoßen und im Übrigen eine Sache auf sich beruhen zu lassen, war Graf Albrechts Weise nicht. Er hatte der Äbtissin gesagt, dass er sich erst Emersleben wiedernehmen und dann seine Rechnung mit dem Rate der Stadt Quedlinburg wegen des bischöflichen Aftergerichts begleichen würde. Das eine war vollbracht, jetzt sollte auch das andere geschehen. Er wählte dazu den Tag, an dem ihn Fürst Bernhard von Anhalt-Ballenstedt mit Burg und Gericht Gersdorf belehnte.

Nachdem die lehensrechtliche Handlung mit der hergebrachten Feierlichkeit an Ort und Stelle stattgefunden und Albrecht seinen zweitjüngsten Bruder Günther als Burgvogt daselbst eingesetzt hatte, ritt er mit seinem jüngsten Bruder Siegfried und einem kleinen Gefolge reisiger Knechte geradeswegs nach Quedlinburg. Dicht vor der Stadt kamen sie an den städtischen Vorwerken Tackenburg und Stumsburg und an dem hohen Baume unweit der vor dem Steinbrückentor belegenen Sankt Spirituskapelle vorüber. Der hohe Baum, eine mächtige Linde, war eine alte Dingstätte, an welcher über Fürsten und Grafen Gericht gehalten wurde, wo unter anderem auch im dreizehnten Jahrhundert die Teilung der Braunschweigischen Länder zwischen den Herzögen Albert und Johann, den Stammvätern der beiden nachmaligen Linien Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel, vollzogen und förmlich ausgesprochen war.

An dieser Stelle vor dem hohen Baume wollte Albrechts Pferd nicht vorbei. Er zwang es mit fester Hand und sagte zu Siegfried: »Seltsam! Brun scheut vor dem Blutgeruch, als witterte er etwas von den harten Sprüchen, mit denen hier schon über manchen tapferen Mann der Stab gebrochen ist. Gott verhüte, dass jemals ein Regensteiner als Verklagter unter dieser Linde stehen muss!«

»Das verhüte Gott!« wiederholte Siegfried, »Albrecht, wie kommst du nur darauf?«

»Ich weiß es nicht,« sprach Albrecht, »aber die Tiere merken oft Dinge, von denen ein Mensch nichts ahnt, und ich achte gern auf die kleinen, stummen Winke von Roß und Hund, unseren guten Gesellen, die mich noch selten betrogen haben.«

Sie ritten durch das tiefgewölbte Tor in die Stadt hinein, und die Bürger wunderten sich über den unverhofften Besuch. Die Männer warfen dem Grafen Albrecht finstere Blicke zu, obwohl sie es an einem dienstlichen Gruße nicht fehlen ließen; die Frauen und Mädchen aber hatten ihre Freude an den beiden ritterlichen Gestalten, besonders Siegfrieds blühende Jugendkraft fand viel Gunst und Gnade in den Augen der Schönen. Dieser ritt nur durch die Stadt hindurch nach der Gunteckenburg, wo er auf den älteren Bruder warten wollte.

Aus dem Markte vor dem Rathause stieg Graf Albrecht ab, übergab sein Roß einem Knechte und schritt die breite Steintreppe hinan und durch die Tür, über welcher an der Außenseite des stattlichen Gebäudes ein großer gemeißelter und bemalter Reichsadler prangte.

Er hatte in Erfahrung gebracht, dass heute Nachmittag eine Ratssitzung stattfinden würde, und war darum gerade heute gekommen. Den Ratsdiener, der seine Ankunft dem versammelten Rate melden wollte, schob er mit kräftigem Arm beiseite und betrat dröhnenden Schrittes den Sitzungssaal, wo sein plötzliches Erscheinen keine geringe Überraschung und keine große Freude hervorrief.

»Verzeihet, Wohledle und Wohlweise, dass ich eure gewiss sehr wichtige Beratung so jählings unterbreche; aber ich habe in Frieden und Freundschaft ein paar ernste Worte mit euch zu reden,« begann er zu den sich schnell erhebenden Ratsherren. Den Stuhl nicht benutzend, den ihm der Stadtschreiber herbeitrug, blieb er mitten vor der Versammlung stehen und fuhr, ohne eine höfliche Aufforderung dazu abzuwarten, in einem entschiedenen Tone fort: »Ihr wisst, Bürgermeister und Rat, wie ich über das vom hochwürdigsten Bischof von Halberstadt hier in der Stadt eingesetzte geistliche Gericht denke, und wer von euch es etwa noch nicht weiß, dem sage ich hiermit, dass ich diesen Eingriff in mein Recht als Schirmvogt und Gerichtsherr des Stiftes auch nicht einen Tag mehr zu dulden gewillt bin. Ist einem Bürger eurer Stadt von einem an meinen Malstätten gehegten Gerichte unrecht geschehen, das Recht verweigert, ein scheltbares Urteil gefunden, ein zu harter Spruch gefällt? Das frage ich euch!«

»Hochachtbarer Herr Graf,« sprach nun der erste Bürgermeister, »nicht wir haben das geistliche Gericht eingesetzt, sondern, wie Ihr selber sagt, der hochwürdigste Bischof von Halberstadt hat es getan.«

»Aber Ihr habt es geduldet!« erwiderte der Graf heftig und schlug mit der behandschuhten Eisenfaust klirrend und krachend auf die hölzerne Schranke vor dem Sitzungstische.

»Nur über geistliche, nicht über weltliche Dinge hat der Bischof hier einen Richter bestellt, Herr Graf,« erwiderte der Bürgermeister.

»Was geistlich und weltlich!« rief der Graf. »Wer das Gericht anruft, Pfaff oder Laie, der hat Recht zu nehmen von einem echten und gerechten Ding. Jeder arme Sünder mag in seiner heimlichen Gewissensnot zum Beichtmönch schleichen, und Pfaffengezänk mögen sie vor den Bischof bringen, aber in des Kaisers Namen Recht sprechen, das tu' ich oder die von mir bestellten Richter. Gebt Ihr das zu? oder wagt Ihr es zu leugnen?«

»Wir müssen es zugeben,« sagte de Bürgermeister nach einem raschen Blick über die Versammlung, die mit einem leisen Gemurmel zustimmte.

»Nun dann wißt Ihr auch, was Ihr zu tun habt,« sprach der Graf. »Ich belege Euch mit einer Buße von dreihundert Mark Stendalisch Silber für jeden, noch so gelinden Spruch, der von heute an hier aus einem anderen Munde als dem des von mir bestellten Stadtschultheißen fällt. Ihr selber und jeder Bürger Eurer Stadt haftet mir dafür mit Leib und Leben! Nun habt Ihr mich wohl verstanden, und jetzt, Herr Bürgermeister, ersuche ich Euch, mir mit zwei Ratmannen nach dem Franziskaner-Kloster zu folgen, damit wir dort an der Stätte seines Frevels dem Afterrichter des hochwürdigsten Herrn Bischofs die Pfuscharbeit ernstlich verbieten.«

Was sollten sie machen? Der Graf sah nicht danach aus, als wenn er sich lange aufs Bitten legen wollte, und sie wussten, wie schwer seine Hand war, wenn sie im Zorne auf der Stadt ruhte. Sie wagten es nicht, ihn noch mit einem Worte zu reizen. Die Sitzung wurde aufgehoben, und der Bürgermeister musste sich dazu bequemen, den Grafen mit zwei Ratsherren zu den Franziskanern zu begleiten.

Dort musste zwei Mönche sofort den Rektor von Sankt Ägidien herbeiholen. Der Graf befahl ihm mit kurzen und derben Worten, seinem Richteramt zu entsagen und auf die Heiligen zu schwören, dass er keine Klage, weß Gegenstandes sie auch sei, mehr annehmen wolle. Dessen weigerte sich der Pfarrer, worauf ihm der Graf drohte, ihn stehenden Fußes aus der Stadt führen und auf dem Regenstein in den Turm werfen zu lassen. Da leistete der Rektor den Eid in Gegenwart der Herren vom Rat, des Guardians und einiger Barfüßermönche.

Darauf ritt der Graf mit den Seinigen von dannen, und als er aus dem Tore war, atmeten Rat und Bürgerschaft auf, als wenn ein Wolkenbruch Tod und Verderben drohend über ihrer Stadt geschwebt hätte und noch einmal glücklich vorübergezogen wäre. Einen Zuwachs an Anhänglichkeit und Liebe der Quedlinburger nahm Graf Albrecht nicht mit, aber das geistliche Gericht des Bischofs war beseitigt, und er hoffte nun eine Weile in Ruh und Frieden zu leben.

Aber länger als eine Woche sollte das beschauliche Stilleben auf dem Regenstein nicht dauern. Dafür sorgte der Ritter Bock von Schlanstedt.

Dieser Würdige, der den Panzer nicht auszog und sich nur in den Steigbügeln wohl und glücklich fühlte, brannte darauf, die neu erworbene Burg Gersdorf in näheren Augenschein zu nehmen, war daher eines Tages mit seinen sechs reisigen Knechten dahin aufgebrochen und hatte in Abwesenheit des Grafen Günther eine Nacht auf der Burg zugebracht.

Am andern Morgen wollten die sieben nach dem Regenstein zurück und machten sich auf den Weg dahin, der über Quedlinburg führte. Bock ritt langsam voran, und die Knechte folgten ihm in kurzer Entfernung. Zwei der letzteren hatten auf Befehl des Grafen den tags vorher beendeten Feierlichkeiten in Halberstadt beigewohnt, um auszukundschaften, wer von den benachbarten Grafen und Herren an der Inthronisation des Bischofs teilgenommen hatte und wer nicht.

Diese beiden erzählten nun ihren Gesellen von den dort geschauten Herrlichkeiten bei der Prozession durch die geschmückte Stadt, der feierlichen Weihe im Dom und den Lustbarkeiten im bischöflichen Palast und auf dem stolzen Rathause.

»Heilige Maria, Mutter und Magd!« rief Nothnagel, »war das eine Pracht an Kleidung und Armatur, an Reitzeug, Kleinoden und Fähnlein von all den Herren geistlichen und weltlichen Standes!«

»Und Pfaffenfleisch war auch genug da,« sagte Hasenbart; »ich glaube, aus zehn Meilen in der Runde waren die Bauchvettern zusammengeströmt.«

»Die könnens!« sprach ein anderer, »sind ja mit Pfründen und Gütern behängt wir der Weinstock mit Trauben.«

»Ich meine, von den weltlichen Herren ist mancher ausgeblieben, der doch geladen war?« frug einer.

»Keiner von unseren Herrn war da,« erwiderte Nothnagel, »und der Mansfelder, der Hohnsteiner und der Stolberger waren auch nicht gekommen.«

»Und auch nicht unsere gnädige Frau von Quedlinburg,« fiel Hasenbart ein. »Ich habe mir die Augen nach ihr ausgeguckt, aber sie war nicht da; Gott weiß den Grund.«

»Weil sie mit der Wahl des Herzog Albrecht nicht einverstanden ist,« sagte einer der Knechte.

»Es hat sich ja auch lange genug damit gestoßen, bis sie ihn im Kapitel durchgebracht haben,« sprach Nothnagel. »In Halberstadt munkelten sie, der Papst wäre gegen ihn.«

»Beim Kaiser soll er auch nicht viel Platz haben,« bemerkte ein anderer.

»Nun, wir haben uns nicht daran gestoßen,« lachte Hasenbart. »Wir zechten und waren fröhlich.«

»Habt wohl brav bankettiert?«

»Ja, Bruder, das haben wir! hatten ja Geld auf den Tisch zu schütten, das uns der Graf gegeben hatte, weil wir Regenstein'sche Farbe am Rock führten. Wir sollten uns zeigen, wenn das Becherlein umging. Und das haben wir getan, Bruder! haben gute Kumpanei gehalten mit des Rates Gepanzerten und anderen biderben Leuten, die mit ihren Herren eingeritten waren. Die Bischöflichen aber ärgerten sich, denn mit denen haben wir uns nicht gemein gemacht.«

So erzählten die beiden ihren zuhörenden Gesellen und gaben ihnen auf alle Fragen gern Auskunft und frohen Bescheid. Als aber die bösen Sieben an Quedlinburg herankam, ritt Bock einen östlich der Stadt belegenen Hügel hinauf, den man fast einen Berg nennen konnte, und machte dort Halt.

Es war ein die ganze Umgebung beherrschender Punkt mit einer weit reichenden Aussicht. Zu den Füßen der Rastenden lag die vieltürmige Stadt, im Hintergrunde derselben das ragende Schloss der Äbtissin und ihm gegenüber das Marienkloster auf der steilen Höhe des Münzenberges. Auch das Wipertikloster und die Gunteckenburg konnten sie sehen, und in der Ferne schloss der hohe Kamm des Gebirges das Bild gleich einem Rahmen ein.

Die Stelle, ein großes umwalltes Hünengrab, das sich kuppelartig auf dem Rücken des Hügels erhob, wurde die Bockshornschanze genannt.

Der Ritter hielt an, um zu kundschaften, wie nahe er sich wohl an der Stadt vorbeiwagen dürfe, ohne von schweifenden Knechten des Rates aufgehoben zu werden, und auch, ob sich nicht etwa einige schlecht bewachte Stück Vieh oder gar ein paar unvorsichtige Bürger blicken ließen, mit deren Einbringung der allezeit Raublustige seinem Herrn auch ohne dessen Auftrag eine Freude machen könnte.

Nichts dergleichen war zu sehen, aber die Reiter hatten nichts zu versäumen; sie saßen ab und lagerten sich. Vielleicht war ihnen das Glück doch noch hold mit Zuführung irgendeiner Beute.

Die böse Sieben führte ihren Namen schon in Betracht ihres Äußerlichen nicht mit Unrecht. Verwegene, zerhauene und zernarbte Gesichter mit struppigen Haaren und zottigen Bärten, geflickte Kettenpanzer und schäbige Wämser auf den vierschrötigen Gliedern und dabei Gäule, wie aus den Geschwadern des wilden Heeres gestohlen, machten zusammen den schauerlichen Eindruck eines Gesindleins, mit dem kein ehrlicher Christenmensch schon im Guten, geschweige denn im Unguten etwas zu schaffen haben mochte. Auch ihre Waffen sahen nicht aus wie Kinderspielzeug. Handfeste Spieße und ungeschlachte Schwerter waren die Hauptstücke; aber diesem hing noch eine leichte Armbrust, jenem ein schwerer Faustkolben am Sattel, und ihre Kesselhauben zeigten manche Beule.

Nach einer guten Stunde fruchtlosen Wartens auf der freiliegenden Höhe rief plötzlich Feuerlein, einer der Knechte, der als Wache ausgestellt war: »Herr Ritter, da kommt was!« und zeigte auf den Weg nach Ballenstedt.

Wie der Wind waren die anderen alle auf den Beinen und spähten nun eifrig und erregt nach der angedeuteten Richtung, wo halbwegs zwischen dem Hackelteiche und der Bockshornschanze sich ein kleiner Trupp Reisender bewegte.

»Ich zähle sechs Pferde,« sagte Feuerlein.

»Ich auch,« sprach ein anderer.

»Ich sehe nur vier Reiter,« behauptete Hasenbart.

»Hast recht, zwei Gäule sind bepackt,« versetzte Gutdünkel.

»Das sind doch Frauenzimmer, die beiden vordersten?« sprach Bock.

»Ja, ja, das sind Frauenzimmer,« lachte Springwolf.

»Aber hinten reiten zwei Männer,« sagte Nothnagel.

»Die vordersten sind auch Männer,« sprach Hasenbart.

»Nein, nein! Frauenzimmer! die hinten sind Männer. Sie tragen Stahlhauben. Und die Frauenzimmer haben Mäntel an.« So riefen sie alle zugleich durcheinander, während sie schon mit hastigen Fingern an Schnallen und Riemenzeug ihrer Wehr und Panzerkleidung herumtasteten, ob alles fest in Ordnung sei zum raschen Überfall.

»Zwei Frauen mit zwei Packpferden, von zwei Reisigen geleitet, – da muss doch was dahinter stecken!« meinte Feuerlein.

»Jetzt zeigt einer mit der Hand gerade hierher.«

»Sie haben uns gesehen.«

»Hurtig! macht, dass ihr auf die Gäule kommt!« befahl Bock. »Wir müssen sie fangen. Hasenbart und Gutdünkel rechts herum, Feuerlein und Springwolf links! Nothnagel mit mir! Rupfer, du bleibst hier und gibst acht, ob ihnen nicht etwa ein Geleit aus der Stadt entgegenzieht. Vorwärts! springt zu, meine Wölfe!«

Schnell waren sie im Sattel, und die vier sausten staubwirbelnd dahin, nach rechts und links einen Haken schlagend, um den Reisenden von zwei Seiten in die Flanken zu fallen, indes Bock mit Nothnagel gerade auf sie lostrabte.

Die Nahenden merkten sehr bald, dass sie von Wegelagerern umzingelt wurden, und den Frauen ward bang zumute. Aber an Flucht war nicht zu denken, und da Bock sah, dass sie keinen Versuch dazu machten, erhob er die Hand, und die vier ausgeschwärmten Knechte hielten sich, getrennt voneinander, zu beiden Seiten in kurzer Entfernung von jenen, ohne sie anzugreifen. Bock ritt den Fremden nun gemächlich im Schritt entgegen.

»Eilika, was fangen wir an?« sprach die eine der Reiterinnen in zitternder Angst. »Sag' ich meinen Namen und dass ich zur Äbtissin aufs Schloss will, oder sag' ich's nicht?«

»Sagt es nicht, gnädiges Fräulein!« riet dringend einer der Reisigen.

»Gnädiges Fräulein, mir kommt ein Gedanke!« sprach schnell die mit dem Namen Eilika angeredete Begleiterin. »In unseren Reisekappen sind wir nicht zu unterscheiden. Lasst uns tauschen; ich will die Herrin spielen, macht Ihr die Zofe. Vielleicht bring' ich uns durch.«

»Alles, was du willst, Eilika!« sagte die erste wieder mit bebender Stimme. »O Gott, sei uns gnädig!«

»Dann die Schleier vor!« flüsterte die Zofe.

Einen halben Pfeilschuss vor den Fremden blieb Bock halten; ebenso Nothnagel etwas hinter ihm. Gutdünkel rechts und Feuerlein links hatte die Armbrust aufgezogen mit dem Pfeil auf dem Stege. Die anderen beiden hielten den Speer auf dem Schenkel, und alle sechs fassten die Umstellten so scharf ins Auge wie Raubtiere das beschlichene Wild.

Die Reisenden näherten sich im unveränderten, ruhigen Schritt ihrer Pferde, als machte ihnen ihre Lage durchaus keine Sorge.

»Nur Mut!« sagte die Zofe leise halb zur Herrin, halb zu sich selber. »Hier hilft nur die größte Keckheit oder gar nichts. Ich brauche mein Mundwerk!«

»Halt!« gebot Bock im nächsten Augenblick mitten auf dem Wege.

Die Reiterinnen hielten dicht vor ihm, die Gesichter verschleiert.

»Ich bedaure, holde Unbekannte,« sagte Bock in einem geziert spöttischen Tone, »dass ich euch Ungelegenheiten verursachen und euch zu einem kleinen Umwege bereden muss. Wir bleiben nun zusammen; wollt euch unsere Gesellschaft gütigst gefallen lassen.«

»Ei Herr Ritter, Ihr wollt uns gutes Geleit nach Quedlinburg geben?« sprach Eilika mit einem wahrhaft herausfordernden Übermut, der außerordentlich echt und natürlich klang. »Ist vielleicht die Straße nicht sicher vor schweifendem Raubgesindel?«

Dass dich der Bock stößt! dachte der so kühn Gehänselte, die hat's hinter den Ohren! und laut sagte er: »Jawohl, mein gnädiges Fräulein! ich nehme euch unter meinen Schutz und bringe auch in ein sicheres Losier. Kommt nur! hier rechts herum geht der Weg.«

»Wie meint Ihr das. Herr Ritter?« frug Eilika wieder. »Ich denke, wir sind nahe am Ziel.«

»Das will ich euch sagen, wenn wir am Ziele sind, Fräulein,« erwiderte Bock.

»So sind wir Eure Gefangene, Herr? Ach, Herr Ritter, wehrlose Frauen!«

»Ich will's Euch nicht verschweigen, und es tut mir aufrichtig leid, mein gnädiges Fräulein!« entgegnete Bock mit einem verbindlich sein sollenden Lächeln und einer steifen Verbeugung im Sattel. Seinen Knechten, die er herangewinkt hatte, befahl er auf die zwei fremden Reisigen deutend: »Nehmt den beiden Wehr und Waffen ab!«

Das war bald geschehen, und nun schwenkte der Zug, von Bocks Knechten umringt, nach rechts ab. Er selber ritt vorn neben den Frauen, die bitter enttäuscht und wehmütig nach dem winkenden Schlosse dort oben schauten, ihrem eigentlichen Reiseziel, von dem sie sich nun immer weiter entfernten.

»Herr Ritter,« fing Eilika wieder an, »ich sehe, dass wir in Eurer Gewalt sind, aber ich hoffe, Ihr werdet mir eine Bitte nicht versagen.«

»Gewiss nicht, Fräulein,« erwiderte Bock, »wenn Ihr nur nicht verlangt, Euch von mir zu trennen.«

»Ich habe in Quedlinburg einen Oheim, der mich mit Sehnsucht heut erwartet,« sprach Eilika nun. »Er würde in große Unruhe geraten, wenn ich nicht käme. Erlaubt wenigstens, dass meine Zofe hier in die Stadt hineinreitet und dem lieben Oheim von meinem Verbleiben Kunde gibt.«